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Fakten zu Stuttgart 21Die grünen "Jasager"

Am Wochenende geht es um die Zukunft des umstrittenen Bahnhofs Stuttgart 21 und um die Zukunft der grün-roten Landesregierung. Die Fakten.

Ja oder Nein? Am Sonntag entscheidet sich, wie es mit dem Bahnprojekt weitergeht. Bild: dapd

Die Frage: Die erste Volksabstimmung in Baden-Württemberg überhaupt - und dann gleich so kompliziert. Viele Bürger sind angesichts der Fragestellung wahlweise verärgert oder verwirrt. Sie lautet: "Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ,Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21' (S-21-Kündigungsgesetz) zu?" Das heißt, wer für den Tiefbahnhof ist, muss mit Nein stimmen, wer dagegen ist, mit Ja. Die Ironie dabei: Wurden die Grünen als S-21-Gegner vom politischen Gegner bislang als "Dagegen-Partei" attackiert, sind nun die S-21-Befürworter die "Neinsager".

Die Hürde: Die baden-württembergische Landesverfassung sieht ein Zustimmungsquorum von 33 Prozent vor. Das heißt, es muss nicht nur die Mehrheit der gültigen Stimmen, sondern zugleich auch ein Drittel aller Wahlberechtigten für den Ausstieg sein. Dies wären 2,5 Millionen Baden-Württemberger - mehr, als bei der Landtagswahl Grüne und SPD gewählt haben. Die grün-rote Landesregierung hatte zwar im Sommer versucht, das Quorum abzusenken, doch für diesen Schritt hätte sie die Stimmen der CDU-Fraktion gebraucht, die nicht mitzog. Die S-21-Gegner müssten daher vor allem das Augenmerk darauf richten, dass die Beteiligung an sich hoch ist und die Mehrheit für den Ausstieg zumindest deutlich. Das dürfte die Quorums-Diskussion nach der Abstimmung weiter befeuern.

Die Ausstiegskosten: Der größte Streitpunkt im Vorfeld der Abstimmung ist die Frage, wie teuer ein möglicher Ausstieg für das Land sein würde. Die Zahlen der Befürworter und Gegner gehen in diesem Fall erwartungsgemäß weit auseinander. Während die Bahn aus ihrer Sicht eine Summe von 1,5 Milliarden Euro nennt, hat das Verkehrsministerium eine Studie vorgelegt, die von Ausstiegskosten in Höhe von 453 Millionen Euro ausgeht. Davon seien 350 Millionen Euro Ersatzansprüche gegenüber dem Land.

Die Baukosten: Unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung können die S-21-Gegner weiterhin auf die Kostenkarte setzen. Die Projektpartner haben einen Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro vereinbart. Bislang galt als offizielle Summe 4,1 Milliarden Euro. Doch zuletzt musste auch die Deutsche Bahn zugeben, dass die Kosten um 370 Millionen Euro steigen würden. Diese Steigerung verrechnet sie allerdings mit einem Nominalisierungspuffer, der für Baukostensteigerungen vorgesehen war. Das grün geführte Verkehrsministerium geht davon aus, dass die Kostenobergrenze von 4,5 Milliarden bereits erreicht sei. Grün-Rot hat diesbezüglich einen Kabinettsbeschluss gefasst, der vorsieht, dass das Land über die festgelegte Grenze keinen weiteren Cent für S 21 bezahle.

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11 Kommentare

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  • M
    Marco

    Im Artikel heißt es, diese Abstimmung sei die erste in BaWü überhaupt. In Wahrheit ist es nur die erste seit etwa 40 Jahren, bitte in Zukunft etwas besser recherchieren

  • HS
    Hari Seldon

    @daniel preissler

     

    1. Hier ist die Zusammenfassunge des Wahlsystems in BaWü (http://www.wahlrecht.de/landtage/baden-wuerttemberg.htm): Es gibt keine Listen.

     

    "Wahlsystem

     

    Personalisierte Verhältniswahl ohne Listen.

    Besonderheiten

     

    Jeder Wähler hat nur eine Stimme.

    Es gibt keine Parteilisten.

    Ausgleichsmandate werden regierungsbezirksweise verteilt.

    Bis zu vier Mal Vorteil des letzten Sitzes für Überhangmandatspartei"

     

    2. Die Wahlsystem in BaWü ist ein Schritt näher zur durch die Grünen so stark favorisierten direkten Demokratie. Die Kandidaten müssen sich durch die WählerInnen messen lassen, und bestätigen. Es gibt keine Listen zusammengestellt in den Hinterzimmern der Parteien.

     

    3. Kretschmann musste in einen sicheren Wahlkreis flüchten, weil er in seinem Heimatwahlkreis (wo er am besten bekannt ist) so unpopulär ist, dass sogar mit Drittmandat nich in den Landtag kommen konnte. Nur dieser einzigen Fakt zeigt die wirklichen "Politikerqualitäten" von Kretschmann. Mappus (in einer Grosstadt) konnte mit grossem Abstand den Direktmandat holen (Grüne konnten sogar keinen Zwit- oder Drittmandat holen). Dazu kommt, dass er noch einen Wahlkreis (wo er aufgewachsen ist) holen konnte. So fängt direkte Demokratie an.

     

    4. Die CDU konnte auch in meisten Grosstädten in BaWü die Direktmandaten holen (60 aus 70). Die CDU hat nicht so stark in BaWü verloren (39% statt 44%, 60 Direktmandate statt 68, und hat sogar 200 000 mehr Stimmen erhalten als in 2006: http://www.landtagswahl-bw.de/). Jetzt wollen die Grünen mit 24,2% (deutliche Minderheit) das Land BaWü drangsalieren und kaputtmachen. Die Grünen konnten die Macht durch die Lügen- und Hetzkampagne gegen S21, und wegen Atomhysterie erlangen. Aber der Spuk dauert nicht lange. Es sieht so aus, dass bei der VA sogar in Stuttgart (höchste Wahlbeteiligung) die Lügnerfraktion sich nicht durchsetzen konnte: Die schweigende Mehrheit hat die Nase mit den Lügen und Hetzen schon seit langem voll. Die Strassenclowns sollten die Unterhaltungsveranstaltungen montags vor der Parteizentrale der Grünen in Stuttgart ausführen.

  • DP
    Daniel Preissler

    @Hari

    Das ist auch nicht korrekt. Es handelt sich nicht um eine "Persönlichkeitswahl". Es gibt in BW (wie Sie sagen) nur 1 Stimme (ich würde sagen dabei ist die Funktion der Erststimme in die Zweitstimme integriert d;-) ). Man kann also nicht trennen zwischen der Person in einem Wahlkreis und der Liste. Dabei wird mit Sicherheit die Liste in den allermeisten Fällen Vorrang haben (Soll heißen: FDP-Nahe geben ihre Stimme der FDP und nicht der CDU wie sonst bei Erststimmen) - also genau andersrum als sie es behaupten. Für die Union ist das super, da sie strukturell noch auf Jahre/Jahrzehnte die stärkste Partei sein wird und alle Direktmandate außerhalb der großen Städte holt.

     

    Es gibt wenige Wahlen, bei denen die CDU so stark verloren hat, wie bei der letzten Landtagswahl in BaWü, daher zählt Ihr Beispiel deutlich weniger, als Sie es uns hier weiß machen wollen.

  • HS
    Hari Seldon

    @waehler

     

    1. In BaWü gibt es keine Zweitstimme bei den Landtagswahlen: Es gibt nur eine Stimme. Hier geht es um eine sogenannte Persönlichkeitswahl, und augenscheinclich konnte Kretschmann sogar nach 31 Jahren die Wähler von seinen persönlichen "Qualitäten" überzeugen. Ein Beispiel dafür, was für eine große Rolle die Persönlichkeitsmerkmale spielen: Ein Kollege von mir lebt im Wahlkreis, wo früher Herr Merz der CDU Kandidat war. Er konnte mit +/-60% den Direktmandat holen. Jetzt ist er nicht mehr in der Politik. Sein Nachfolger seitens CDU ist ein junger Mann mit pseudo-grün Parolen. Auf Anhieb konnte er auf 30% zurückfallen, und den Direktmandat verlieren. Seitdem driftetr er munter Richtung 20%. Und das Parteibuch war identisch. So bleiben wir so, dass es kein Zufall ist, dass Kretschmann nie einen Direktmandat holen konnte. Aber dafür hat er eine grosse Veste...

     

    2. Grünen als kleine Partei? Die Grünen sagen, dass sie die größten, schönsten, und besten sind... Oder bitte, meinen Si, dass jetzt eine kleine Partei BaWü drangsalieren will?

  • W
    Waehler

    @Hari Seldon,

     

    das Gewinnen eines Direktmandats ist für einen Vertreter der beiden großen Parteien (CDU bzw. CSU und SPD) keine besondere Herausforderung, da diejenigen Wähler, die einer Partei die Zweitstimme geben (was in BaWü zumeist die CDU war) auch in der Regel den Direktkandidaten wählen. Abgesehen vom Kommunalwahlkampf ist die Person des Kandidaten, gerade bei jungen Kandidaten relativ unbedeutend, das Parteibuch alleine garantiert fast schon die Wahl. Nicht ohne Grund sind in Fällen, in denen der Volksparteikandidat kurz vor der Wahl starb und ein Nobody aufstellt wurde, trotzdem diese Nobodys gewählt worden. Ein Kleinparteinkandidat hat diesen Automatismus nicht, daher sind gute Ergebnisse für diese Kandidaten sehr selten, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen.

  • S
    Schroedingers

    @akbwl

     

    Die gruene Landesregierung hat nicht nur einen Energieversorger bekommen. Sie kann nun in einem ganzen Bundesland zeigen, wie man es besser macht.

     

    Darum geht es aber hier nicht. Es geht darum, WIE das Land Wiederbesitzer dieses Energieversorgers wurde.

    Mappus' Vorbeiregieren am Landtag mittels Notstandsgesetzgebung, um hiermit Milliarden zu investieren,ist Veruntreuung. In der freien Wirtschaft muesste er fuer so was in den Knast.

     

    Nachdem Kretschmann von einem Foristen voellig unsinnigerweise als "Penner" bezeichnet wurde, ging es mir um eine Darstellung der Unterschiede in Charakter und Moral zwischen Kretschmann und Mappus. Credo: Kretschmann-Kritiker, notorische CDU Anhaenger sollen fuer die naechsten 20 Jahre ersteinmal den Rand halten und vor der eigenen Haustuere kehren.

  • A
    akbwl

    I@Schroedingers: Das ist noch etwas seltsames der Grünen Landesregierung: Da bekommen Sie einen der großen deutschen Energieversorger auf dem Silbertablett serviert, und dann ist es Ihnen auch nicht rechts. Jahrelang haben Sie behauptet, die Energiekonzerne würde Geld ohne Ende verdienen, forderten mehr Staatliche Aufsicht, gar Zerschlagung. Jetzt können sie das alles umsetzten und merken, dass sie nicht recht hatten.

    Ach ja, im Süden von BW blockieren die Grünen gerade eine geplantes Speicherkraftwerk. Etwas, was angesichts des steigenden Ökostrom-Anteils dringend notwendig ist.

  • W
    Waage

    @Hari Seldon,

     

    "Schwerer Arbeitsfehler - nach Hause schicken". Das ist so die ganz zackige kapitalistische Art bei der nur Verwertungsinteressen zählen.

     

    Es ist nich jeder gleich ein "Penner" der in einer hochkomplexen Welt Fehler macht.

    Jeder macht Fehler, aus Fehlern muss man lernen!

  • HS
    Hari Seldon

    @schroedingers: Bitte, könnten Sie mich aufklären, was hätte Ihr Beitrag mit S21, Quorum, dem Artikel, und mit meinem Beitrag zu tun? "Konservative Grünen-Regierung": Bitte, meinen Sie die vorsätzlichen Lügen und Hetzereien der Grünen als "konservative Werte"? Übrigens können Sie im Archiv des Landtags BaWü selber prüfen, wie die Diskussion bezüglich der vorgeschlagenen Änderung des Quorums am Ende 2010 war, und Sie können selbst zum Beipiel im Archiv der Stuttgarter Zeitung die Aussagen von Kretschmann bezüglich seiner "Kenntnisse" vom Quorum prüfen. Als Schlussbemerkung: Mappus kann mindestens auf Deutsch reden. Obwohl ich kein Muttersprachler bin, kann sogar ich detektieren, dass Kretscmann am Kriegsfuss (als Oberlehrer!!!) mit der deutschen Sprache steht. So er ist ein "idealer MP". Es ist kein Zufall, dass der Herr Kretschmann aus seinem Heimatwahlkreis (wo er am besten bekannt is) in einen "sicheren Wahlkreis" flüchten musste. Übrigens hat ein nahezu unbekannter CDU-Mensch ihn auch in diesem "sicheren Wahlkreis" zu B-Ware degradiert. Augenscheinlich brauchen und vertrauen die Menschen in BaWü Kretschmann nicht so stark. Kretschmann konnte sogar nach 31 Jahren noch nie einen Direktmandat holen (Mappus schon auf Anhieb mit 28). So sehen die Fakten aus. Vielleicht sollten Sie bei der weltberühmten Schroedinger-Gleichung bleiben.

  • S
    Schroedingers

    @Hari Seldon

     

    Ich habe selten so einen Quark gelesen.

     

    Nehmen Sie doch einfach einmal als Vergleich zu Ihrem sog. "Penner" dessen Vorgaenger Mappus. Mappus hat in seiner Obergutsherrenart gemacht, was ihm einfiel, u.a. hat er Landesmittel in Milliardenhoehe veruntreut, um die Aktien eines Energieerzeugers zu kaufen. Und zwar am Landesparlament vorbei. Mittels sog "Notstandsgesetzgebung". Hoechstwahrscheinlich war hierbei eine Motivation Bereicherung fuer seine Kumpels, die als Anlageberater hierbei Prozente bekamen. Wir reden von Steuer-MILLIARDEN, die veruntreut wurden.

     

    Und jetzt kommen Sie und konstruieren so einen Kaese um Peanuts. Ueberlegen Sie auch manchmal?

     

    Kretschmann und dessen durch und durch konservative B-W Gruenen-Regierung, das ist die bessere CDU, wie man sie in diesem Lande braucht!

  • HS
    Hari Seldon

    Zum Quorum: Am Ende 2010 wollte die CDU-FDP Landesregierung das Quorum deutlich senken. Und welche Partei war am stärksten dagegen: Die Leserschaft kann drei mal raten. Die Grünen. Und jetzt kommt die Aufschrei der Grünen gegen das Quorum. Keine Kommentare dazu. Noch eine Info zu Kretschmann. Nach 31 Jahre Landtagszugehörigkeit hat er gesagt, dass er das Quorum bei den Wahlversprechen ("Volksabstimmung jetzt!" vergessen hätte. Bitteschön, ein Landtagsabgeordnete nach 31 Jahren kennt die Landesverfassung noch nicht. Bei jeder nur halbvernünftigen Firma wird die Einarbeitung höchstens 3 Monate lang dauern, und nicht mehr als 31 Jahre lang. Ein solcher Fehler wäre als grober Arbeitsfehler bewertet, und der Mensch nach Hause geschickt. Bei den Grünen kann ein solcher Penner noch als MP fungieren... Übrigens, die Variante "Arbeitsfehler" ist noch die bessere Variante. Die andere Variante wäre, dass Kretschmann wusste genau noch vor den Landtagswahlen was das Quorum bedeutet. In diesem Fall hat er aber seine Wähler vorsätzlich getäuscht und vera...t. Keine Kommentare dazu: So sieht die "neue Demokratie" á la Grün aus.