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Fake-News auf FacebookDas mit dem Internet

Amerikanische College-Studenten schaffen in 36 Stunden, woran Facebook sich angeblich seit Monaten die Zähne ausbeißt.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg rennt mit Bodyguards durch Berlin. Läuft er vor seiner Verantwortung davon? Foto: dpa

Berlin taz | „NATO: 300.000 Truppen stehen bereit. Nur noch wenige Tage bis zum Dritten Weltkrieg“, schreibt die Daily Post. Das stünde bevor, wenn Hillary gewinnt. Fake, natürlich. Aber diese und ähnliche Falschmeldungen wurden bei Facebook vor der US-Wahl tausende Mal geteilt und könnten Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben. Auch Angela Merkel sorgt sich: „Wir dürfen das, was da passiert mit dem Internet, nicht unterschätzen.“ Am Mittwoch warnte sie im Bundestag davor, dass Fake-Seiten Meinungsbilder verfälschen könnten.

Das mit dem Internet: Die eine Hälfte der Menschheit lamentiert, dass ein postf*** Zeitalter angebrochen sei. Die andere Hälfte schreit „Lügenpresse“ oder, wie Trump, „Fake!“ Eigentlich ist man sich also ausnahmsweise einig: Irgendwie kann man niemandem mehr glauben.

Warum eigentlich? Fakten zu überprüfen war noch nie so einfach wie heute. Gerüchte gab es schon immer, aber während man früher einfach hinnehmen musste, was der Nachbar erzählt, oder was in der Zeitung stand, kann man heute selbst recherchieren, dutzende Quellen vergleichen, Video-Beweise fordern. Sollte unser Zeitalter nicht eigentlich das post-lügnerische Zeitalter sein?

Facebook-Geschäftsführer Mark Zuckerberg klagte vor gut einer Woche, das Fake-News-Problem sei “philosophisch wie technisch komplex.“ Wobei zumindest die technische Komplexität dem Internet-Boy gleich wieder um die Ohren flog: Ein Team von College-Studenten aus Amerika schaffte in 36 Stunden, woran Facebook sich angeblich seit Monaten die Zähne ausbeißt. Sie entwickelten eine Browser-Erweiterung, die Nachrichten-Artikel auf Richtigkeit überprüft. „Fib“ (engl. für: Flunkerei) gleicht Tatsachenbehauptungen in Nachrichtentexten mit Meldungen von anderen Anbietern ab und checkt die URL gegen eine Datenbank von vertrauenswürdigen Quellen. Wenn niemand sonst über die Nachricht schreibt, oder die Schlagzeile nur über verdächtige Plattformen verbreitet wird, erscheint ein Hinweis neben der Nachricht: „Nicht verifiziert.“

Fake-News zielen auf Menschen, die blind teilen

Facebook kann niemandem erzählen, dass es seine technischen und philosophischen Fähigkeiten überstiegen hätte, so einen Service selbst anzubieten. Facebook wollte einfach nicht. Denn für Facebook zählt, womit es Geld verdient. Ein vorhersehbares, konsistentes Weltbild bei seinen Nutzern ist gut für's Geschäft. Denn die meisten Nutzer verwenden Facebook seit langem nicht mehr nur als soziales Netzwerk oder Mailingdienst, sondern als Nachrichtenquelle. Und die Konkurrenz, andere Nachrichtenportale, sticht Facebook durch die Filterblase aus. Also dadurch, dass es die Nutzer vermeintlich besser kennt und ihnen genau das vorlegen kann, was sie lesen wollen – an Artikeln, wie auch an Werbung. Die Richtigkeit ist dabei zweitrangig.

Die Studenten von Fib haben schnell einen großen Schritt für die Vertrauenswürdigkeit von Internet-Nachrichten geschafft. Sie zeigen den Großen, wie einfach es gehen kann. Die einzige Schwäche ist die: Auch ihr Angebot setzt auf eine Eigeninitiative durch die Nutzer. Denn man muss es installieren. Fake-News zielen aber gerade auf die Menschen, die blind Inhalte teilen und eben keine Eigenverantwortung zeigen – schließlich würde schon eine einfache Google-Suche die meisten Falschmeldungen entlarven.

Ein wirksames Tool gegen Fake-News muss von Facebook voreingestellt sein. Es darf auch nicht das Misstrauen der Lügenpresse-Skandierer unterfüttern, also auf keinen Fall Nachrichten ausblenden oder irgendeine Form von staatlicher Kontrolle beinhalten. Der Ansatz von Fib ist genau richtig. Ein einfaches Label kann, wenn es vertrauenswürdig ist, den Verbreitern von Fake-Nachrichten den Boden entziehen. Es ist der „Lügenpresse“-Stempel für die andere Seite. Und gibt damit dem Internet ein Stück weit das zurück, was jahrelang sein Markenzeichen war: Chancengleichheit.

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12 Kommentare

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  • Bitte mal den Ball flach halten! Hier geht es nicht um "traditionelle" Medien gegen "alternative" Medien.

    Es geht um Aufmerksamkeit bzgl. bewusst gestreuter Falschmeldungen! Und wer noch nicht mitbekommen hat, welchen Schaden die anrichten, ist entweder nicht bei facebook (durchaus nachvollziehbar) oder hat seinen dortigen Freundeskreis bereits "gesäubert"... was so ziemlich das Schlechteste ist, was man machen kann.

     

    Weiterhin wird bei der hier beschriebenen App/Erweiterung nichts geblockt oder so, sondern lediglich ein Hinweis angezeigt, dass diese Nachricht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Wahrheit entspricht. Also nichts wird zensiert oder dergleichen. Alarmismus ist komplett unangebracht.

    • @Co-Bold:

      So ist es und danke für die Aufklärung, dass nichts geblockt sondern lediglich gekennzeichnet wird.

  • Ach Taz,

     

    macht Euch lieber mal Gedanken darüber, warum traditionelle Medien inzwischen so wenig Glaubwürdigkeit besitzen, statt Tools zu fordern, die Menschen zwangsbeglücken. Medienkompetenz wäre gefragt. Aber es ist ja gerade Medienkompetenz, die den "traditionellen" Häusern so zu schaffen macht!

     

    Die "traditionellen" Medien haben in den letzten Jahren m.E. viel Glaubwürdigkeit verspielt, weil sie nicht verstanden haben, dass der Vorhang der Macht dünner geworden ist.

     

    Wenn z.B. die Taz das Interview Trumps mit der New York Times übersetzt und ich dann nach ein paar Klicks das Original gegenlesen kann und - obwohl ich Trump gar nicht und die Taz sehr gerne mag - feststellen muß, dass die Übersetzung der Taz (aus Absicht, Schludrigkeit oder Blödheit?) das Interview ohne erkennbare Not grob verstümmelt und verzerrt, dann leidet die Glaubwürdigkeit der Taz.

     

    Ähnlich und noch schlimmer ist das mit den anderen Zeitungen. Denkwürdig ist beispielsweise das gestellte Photo der Politiker an der Spitze der großen Demonstration nach den Anschlägen in Paris. Statt sich zu entschuldigen, hat die Süddeutsche das damals in einem Artikel verteidigt, dass sie aus moralischen Gründen den Fake mitgemacht haben (oh Gott).

     

    Sowas ging früher alles. Sowas geht heute nicht mehr. Und statt die Schuld auf andere zu schieben (à la "Fakenews könnten Trump an die Macht gebracht haben" - wie hirnrissig angesichts der grotesken Alternativen dieser Wahl und des Zustandes der USA), wäre es angebracht, mal ein bisschen vor der eigenen Türe zu kehren. Asche auf Euer Haupt, Taz.

     

    Dabei habt Ihr z.B. mit der "Le Monde Diplomatique" ein Medium im Haus, das keine Glaubwürdigkeitseinbußen zu verzeichnen hat. Warum wohl? Nachdenken!

  • Wirklich unfassbar, wie egal so etwas dem Gründer ist. Gerade heutzutage nachdem Trump gewonnen hat muss man doch sehen, wie naiv die Menschen mittlerweile sind. Da muss man diese Naivität nicht auch noch fördern oder besser noch ausnutzen, sondern sollte etwas dagegen tun!

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Ein Tool gegen Fake News, auf so eine Idee muss man auch erst mal kommen. Erstens öffnet so ein Tool auch die Tür für Manipulationen (z.B. indem nur noch Nachrichten als vertrauenswürdig eingestuft werden, die bestimmten Gruppierungen genehm sind). Zweitens beinhaltet die Meinungsfreiheit auch das Recht, Blödsinn zu verbreiten.

    Die Leute für unfähig zu halten, selbst den Wahrheitsgehalt einer Nachricht zu überprüfen, ist ein Fehler. Manche wollen halt bestimmte Sachen glauben, und die wird auch eine Bewertung von irgendwelchen Tools nicht überzeugen. Andere überprüfen Nachrichten sowieso, wenn sie eine unwahrscheinliche Aussage beinhalten.

    Es scheint sich die Auffassung breit zu machen, man müsse aufgrund nicht genehmer Wahlergebnisse erzieherische Maßnahmen einleiten Damit wird man aber das Gegenteil der eigentlichen Absicht erreichen.

    Da ich mich als nicht-radikaler Linker ebenfalls von den Medien in diesem Land nicht mehr repräsentiert fühle, ich eher im Gegenteil z.B. aufgrund meiner Gegnerschaft zu TTIP als hysterischer Schwachkopf gebrandmarkt werde, verspüre ich i. Ü. wenig Lust darauf, mir erzählen zu lassen, was seriöser Journalismus ist. SZ, FAZ, SPON und auch die Öffentlich Rechtlichen machen auf mich in weiten Teilen weder einen unabhängigen, noch einen seriösen Eindruck.

  • Fake - Cake. Es ist die Mischung:

    f a c e b o o k schmeckt immer nach Scheiße und Knoblauch und überzuckert. Es ist wie bei den amerikanischen Kaffeehäusern von Starbucks und anderen. Alles drin, wässrig und zum urinieren gut.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Facebokk, Twitter &Co sind gefährliche Herausforderungen für die Demokratie. Für ihren Profit vergessen sie ihre Verantwortung, sie zahlen keine oder fast kein Steuern doch nutzen sie ungeniert die jeweiligen Infrastrukturen. Sie scheffeln buchstäblich Milliardengewinne. Und sie scheren sich einen feuchten Kehricht um nationale Gesetze, schon gar nicht um Ethik. Ihre Machenschaften untergraben die Staatsautorität vielfältig - demokratische Länder haben schon jetzt keine Chance, sich gegen sie zu wehren...

  • So einfach ist das auch wieder nicht: Wer hat entschieden, welche Nachrichtenquellen verlässlich sind? Wäre bei uns Spiegel online dabei, oder würde er als Propagandainstrument der Stiftung Bertelsmann unter die nicht verlässlichen Quellen fallen? Wäre Bild dabei?

     

    Und wenn man seine Informationen gegen übliche Zeitungen prüft, warum liest man nicht einfach gleich diese Zeitungen?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Genau das habe ich mir auch gedacht: Sollen jetzt nur die etablierten Medien auf diese Whitelist kommen, so ihre Deutungshoheit sichern, und jede alternative Nachrichtenseite, jeder Blog wird per se als Fake betrachtet und herausgefiltert?

       

      Das Thema Fake-News ist übrigens weit komplexer als man denkt: https://blog.fefe.de/?ts=a6c75aa6

  • Jetzt fehlt nur noch ein Link zu dieser Erweiterung ...

    • @Peter Osten:

      "kann man heute selbst recherchieren" gilt auch für diesen Artikel.

       

      Innerhalb kurzer Zeit gefunden. Inhaltlich ist die Geschichte auch nicht mehr ganz frisch (über eine Woche alt).

       

      Interessant ist zudem, dass es die Erweiterung für den Chrome Browser zur Zeit nicht mehr bei Google gibt. Da hat die Autorin dieses Artikels nicht ihre Hausaufgaben gemacht.

    • 7G
      78110 (Profil gelöscht)
      @Peter Osten:

      Der dürfte es sein: https://devpost.com/software/fib