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Faire LiteraturagenturDie Literaturbranche, kollektiv-antikapitalistisch gedacht

Die neue genossenschaftliche Literaturagentur zoraLit soll eine Antwort auf prekäre Arbeitsbedingungen beim Schreiben bieten.

Wollen hierarchiefreier und fairer Bücher produzieren: Die Gründerinnen von Zoralit Foto: Amelie Aymel Kahn-Ackermann

Wenn etwas völlig Neues im Leben beginnt, ist das aufregend. Den drei Frauen, die man zu diesem Neuen in ihren Leben in einem Schöneberger Café befragt, ist dann auch anzumerken, dass sie sehr gespannt auf das sind, was nun vor ihnen liegt.

Katharina Holzmann, Sabina Everts und Alyssa Fenner hatten bis vor Kurzem noch feste Jobs in der Buchbranche. Bei kleinen, aber auch bei größeren Literaturverlagen. Dann reifte im Zusammenspiel mit Zoë Martin und Laura Weber die Idee, etwas zu gründen, was es in der Art bislang noch nicht gibt: eine genossenschaftlich organisierte Literaturagentur. Man spürt, die Lust, ihr gemeinsam angeschobenes Projekt zu entwickeln, das sie zoraLit getauft haben, ist riesig. Sich als Genossenschaft verstehende Verlage existieren bereits, beispielsweise die Büchergilde mit Hauptsitz in Frankfurt a.M. Holzmann aber erklärt, das seien Genossenschaften „in der Literaturbranche“. zoraLit sei nun aber, und das ist ein Unterschied, „eine Genossenschaft für die Branche“.

Die Branche. Die drei Frauen sagen, sie würden grundsätzlich sehr gerne in dieser arbeiten, mit Literatur und Literaten und Literatinnen, mit Büchern und intellektuellem Austausch. Aber es gebe auch vieles an der Literaturbranche zu kritisieren, und manche Arbeitsbedingungen in dieser seien ziemlich verbesserungswürdig. Befristete Arbeitsverträge, schlechte Bezahlung, Überstunden, Urlaube, in denen nebenbei noch Manuskripte gelesen werden müssen, das alles sei hier eher normal als die Ausnahme, darin sind sich alle drei einig. „Die Belastung in allen Bereichen der Branche ist krass“, so Everts. zoraLit wolle deswegen eine Plattform sein, in der diese Zustände offen angesprochen und diskutiert werden. Nach dem Motto von Fenner: „Uns geht es nicht gut, anderen auch nicht – wir sprechen darüber.“

Als Team zusammengefunden hätten sich die fünf Gründerinnen also über den gemeinsamen Wunsch, ein besseres Miteinander in der Branche zu entwickeln und Veränderungen anzustoßen, so Everts. Und das gemeinsam mit einem Netzwerk Gleichgesinnter. Die Gründung einer GmbH kam nicht in Frage, man verstehe sich als „antikapitalistisch“, sagt sie weiter. Als Verein vielleicht oder Kollektiv, sei anfangs noch eine Überlegung gewesen. Aber damit wäre zoraLit kaum mehr als ein Hobbyunternehmen gewesen, mit dem sich der eigene Lebensunterhalt nicht bestreiten lässt.

Der Bedarf ist da

Am besten geeignet für das Projekt zoraLit erschien den Fünfen dann die Gründung einer Genossenschaft, einer Interessengemeinschaft von Menschen aus der Literatur für Menschen aus der Literatur. Die drei im Schöneberger Café sagen, sie seien regelrecht Fans des Genossenschaftsmodells. Ihre Vorstellungen eines nicht gewinnorientierten Arbeitens und einer angestrebten Community Gleichgesinnter, die sich untereinander Hilfe anbietet, könne bei diesem ziemlich optimal umgesetzt werden.

zoraLit bietet ihren Genossen und Genossinnen Beratungsgespräche an, veranstaltet Workshops und Panels, es gibt eine Community-App, Mentoring-Programme sind geplant. Mit dazu gehört eine Literatur- und eine Eventagentur, deren Dienstleistungen für Genossen und Genossinnen zwar nicht umsonst sind, deren Erlöse aber in der Genossenschaft bleiben. Innerhalb kurzer Zeit habe man bereits 60 Genossen und Genossinnen für das Projekt gewinnen können. Möglichst 400 – ohne Obergrenze, versteht sich – sollten es einmal werden, um längerfristig finanziell tragfähig arbeiten zu können.

Bislang passiert bei zoraLit, abgesehen von den Online-Angeboten natürlich, noch das meiste in Berlin. Fenner aber sagt, man sehe sich als Genossenschaft für den ganzen deutschsprachigen Raum und nicht bloß für den „Berliner Literaturklüngel“. Veranstaltungen in anderen Städten werde es also bald geben.

Der Bedarf an so etwas wie zoraLit ist bestimmt da. Als sich die Genossenschaft vor kurzem in einer Online-Veranstaltung vorgestellt hat, meldeten sich am Ende ein paar Interessierte mit literarischen Ambitionen, die die Bedeutung von Netzwerken unterstrichen, um voranzukommen. Und meinten, dass es gleichzeitig oft nicht einfach sei, Zugang zu derartigen Netzwerken zu finden. Zum Beispiel hier könnte zoraLit, wo sich eine hierarchiefreie Community mit kollektiviertem Sachverstand aus möglichst allen Bereichen der Literaturbranche entwickeln soll, als Starthilfe und dann auch Wegbegleiter ins Spiel kommen. Bleibt abzuwarten, ob es klappt mit dem Projekt. Es sei ihnen klar, dass sie auch scheitern können, so die drei Frauen von zoraLit. Aber man merkt ihnen an, dass das eigentlich keine Option ist.

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5 Kommentare

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  • Habe mir die Webseite angeschaut. Guter Ansatz. Weg vom Profitdenken - hin zur Fairness !

  • Yey, antikapitalistisch! Ich steh' total auf die Idee des "nicht gewinnorientierten Arbeitens". Ich frage mich aber sodann, wenn die Unternehmung, sorry, Genossenschaft, keinen Gewinn generiert, wovon bestreiten dann die AutorInnenen dieses Literaturkombinats ihren Lebensunterhalt? Wovon Kombinatsangestellte (oder wie auch immer man diese nennt) selbst? Sie müssen Gewinn erwirtschften, wenn die Tafeln nicht demnächst auch noch Kulturschaffende durchzubringen helfen sollen. Sie können meinetwegen denn Gewinn vollends an die AutorInnen und andere yey-antikapitalistische Kombinate ausschütten (oder ist das schon zu sehr Shareholder-Denken?). Aber wenn nicht mehr Knete reinkommt, als zuvor reingesteckt wurde (und ohne reingesteckte Knete wird kein Buch produziert), braucht es eine/n SponsorIn oder aber die Nobilitierung der so geschmähten Brotlosen Kunst. Die leider dann wörtlich und nicht metaphorisch brotlos wäre. Ich würde als erstes — die Urheberrechte sind frei — Marxens Kapital auflegen...

  • Etwas Erbsenzählerei: wenn ich mit der Maus über das Bild am Artikelanfang wische, erscheint der Tooltip "Vier junge Frauen auf einem Sofa". Ist das ein Bug oder ein Feature, mit dem ihr testen wollt, wie intensiv eure Artikel gelesen und nicht nur überflogen werden? Ich kann auf dem Bild auf der Couch fünf junge Frauen erkennen.



    Ansonsten wünsche ich den engagierten Gründerinnen viel Glück bei ihrem Projekt und ein Danke an die taz für den schönen Artikel.

  • Freue mich auf interessanten Lesestoff.

  • Klingt sehr interessant! Etwas unklar ist für mich die Zielsetzung noch – was wäre der Unterschied im Anliegen & Vorgehen zum „Verlag der Autoren“z.B.?