Fahrradklau hat Hochkonjunktur: Diebe fahren auf Räder ab
Die Zahl der gestohlenen Räder steigt dramatisch. Dennoch nimmt die Polizei das Problem nicht ernst, beklagt der Fahrradbeauftragte des Senat. Polizei: Wir können das nicht alleine lösen.
Die frühsommerlichen Temperaturen treiben die Radfahrer auf die Straße. Damit bricht auch für die Fahrraddiebe die Saison an. Anders als bei Autoknackern, denen moderene Sicherungssysteme zunehmend das Handwerk verleiden, zeigt sich bei Fahrraddiebstahl keine Spur von Rezession. Im Gegenteil: Die Diebstahlszahlen explodieren geradezu.
2007 wurden in Berlin laut Kriminalstatistik 20.246 Anzeigen wegen Fahraddiebstahls erstattet. 2008 waren 23.645. Das entspricht einer Steigerung von 16,8 Prozent. Das Risiko, mit einem gestohlenen Rad erwischt zu werden, ist bei einer Aufklärungsquote von 5,4 Prozent gering. Der Fahrradbeauftrage des Senats, Benno Koch, wirft der Polizei deshalb fehlendes Engagement bei den Ermitlungen vor. Die Polizei weißt das zurück.
Geklaut wird mit Vorliebe an den Bahnhöfen der Stadt. Im Umfeld der Stationen haben Raddiebstähle 2008 im Vergleich zum Vorjahr um stolze 43,5 Prozent zugenommen. Dass liegt auch daran, dass immer mehr Berliner das Auto stehen lassen und eine Kombination von Rad und öffentlichem Nahverkehr bevorzugen. Ärgerlich aber, wenn man als Pendler nach der Arbeit am S-Bahnhof ankommt und der Drahtesel weg ist. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat die S-Bahn deswegen aufgefordert, mehr sichere Abstellanlagen zu installlieren.
Auch der Fahrradbeauftragte Koch unterstützt dies. Schließlich sei die Bahn der Nutznießer. "Die Zunahme der Fahrgäste lässt sich belegen", so Koch. Die S-Bahn habe zwar rund 7.000 neue Stelllplätze des Typs "Kreuzberger Bügel" an ihren Bahnhöfen installiert. Das Programm stagniere aber seit ein, zwei Jahren - obwohl die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür Geld zuschieße. Bei der U-Bahn, die ebenfalls Geld für Bügel bekommen würde, ist laut Koch "überhaupt noch nichts passiert".
Bei dem Kreuzberger Bügel handelt es sich um einen Ende der 80er Jahre eigens für den Bezirk entwickelten rechteckigen Stahlrahmen. Im Gegensatz zum Vorderradbügel, der kaum Schutz vor Diebstahl darstellt, hat sich der robuste und vandalismussichere Kreuzberger Bügel bewährt.
Auch was die Polizei angeht, spart der Radbeauftragte nicht an Kritik. Bei der Polizei scheine noch nicht angekommen zu sein, dass ein durchschnittliches Fahrrad heute 600 Euro koste. Betroffene würden von den Beamten zum Teil jedoch behandelt, als wäre es ein "Gurkendelikt". Auch fragt sich Koch, warum die Polizei an S-Bahnhöfen wie dem in Hermsdorf - wo viele Räder geklaut werden - nicht mehr unternimmt. Bei einem Anwohner würden ständig geknackte Schlösser über den Zaun fliegen. "Nur die Polizei weiß davon nichts."
Kommissariatsleiter Klaus-Dieter Hundt, in der Direktion 6 im östlichen und südöstlichen Berlin zuständig für Diebstahl von allem was rollt - "außer Kinderwägen" -, weißt den Vorwurf des mangelnden Engagements zurück. In Hundts Zuständigkeitsbereich befinden sich viele S-Bahnhöfe. Wo sich Delikte häuften, würden regelmäßig Einsatze gefahren, auch unter Beteiligung von Zivilbeamten. Das Problem sei häufig aber: Das Rad sei zwar teuer, aber das Schloss billig, also leicht zu knacken. "Die Relation stimmt nicht", so Hundt. Zudem sei einer Person, die sich über ein Rad beugt, von hinten nicht anzusehen, ob sie das Schloss aufschließt oder es mit einem Hilfsmittel aufmacht. "Meine Leute und ich gehen sehr ernsthaft an das Thema ran", betont Hundt. "Aber den Anstieg der Radkriminialität kann die Polizei nicht alleine lösen".
Immerhin in einem Punkt kann Hundt einen Erfolg vorweisen. Anfang des Jahres haben seine Beamten sämtliche Secondhand-Radläden in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgesucht und dabei gestohlene Räder im zweistelligen Bereich gefunden. "Wer seinen Laden sauber halten will, kooperiert mit uns."
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