Fahren mit Strom: Voller Spannung in die Zukunft
E-Mobilität heißt das Zauberwort, das unseren Verkehr nachhaltig machen soll. Für ein Förderprogramm des Bundes bewirbt sich auch die Region Berlin-Brandenburg.
Berlin ist keine Autostadt. Aber Hauptstadt. Deshalb ist Christoph Lang trotz allem "optimistisch", dass die Region Berlin-Brandenburg zu einem der "Schaufenster Elektromobilität" wird, die ein Förderprojekt des Bundes bezuschusst. Lang ist Sprecher der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO), die das Land eigens für die Bewerbung gegründet hat. Es locken ein Imagegewinn und viel Geld: 180 Millionen stellt die Bundesregierung zur Verfügung. Damit sollen in drei bis fünf Modellstädten oder -regionen umweltfreundliche Verkehrskonzepte erprobt werden.
Auf drei Jahre ist das Projekt angelegt. Das Ziel: öffentlichkeitswirksam neue Verkehrskonzepte konzipieren und der Bevölkerung nahebringen. 23 Bewerbungen sind beim Bundesverkehrsministerium eingegangen. Eine Jury ist jetzt mit der Auswahl befasst, Ende März soll sie bekannt gegeben werden.
Gegenüber "Autostädten" wie Stuttgart oder Wolfsburg dürfte es Berlin nicht leicht haben. Aber Lang glaubt, dass "gerade das Merkmal, das von vielen als Schwäche gesehen wird, eine Stärke ist: Wir sind herstellerneutral." Man kooperiere nicht mit einer großen Firma, sondern mit vielen: Rund 260 Projektpartner umfasst das Bündnis für Elektromobilität in Berlin und Brandenburg, davon knapp 200 Unternehmen. Hinzu kommen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Verbände, Kammern, öffentliche Einrichtungen. Auch die BVG als größter europäischer Nahverkehrsbetrieb sowie die Stromversorger Eon, RWE und Vattenfall sind dabei.
Batterien und Testparcours
Auf der Liste des Bündnisses stehen 74 Projekte: Car-Sharing, Forschung an Batterien, Windparks zur Erzeugung von Wasserstoff für Brennstoffzellen, ein Ausstellungsraum mit Testparcours für Elektrofahrzeuge auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. 15.000 Elektroautos will das Projekt im Idealfall auf die Straße bringen. Zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof soll die Buslinie 147 mit einem Elektrobus betrieben werden, der während der Wartezeiten an den Endbahnhöfen kabellos per Induktionsschleife aufgeladen wird. "Das ist ein relativ kurze Linie", sagt Lang, "aber sie wird viel genutzt, auch von Touristen. Mit dem auffälligen Einsatz eines Busses kann man da viele Menschen erreichen."
Menschen zu erreichen ist das Hauptziel des Projekts. Deutschland solle "Leitmarkt für Elektromobilität" werden, forderte die Bundesregierung 2008, schon 2020 sollten auf deutschen Straßen Millionen strombetriebene Autos unterwegs sein. Davon ist bisher wenig zu sehen: Nach Zahlen des Car Automotive Research Center (CAR) an der Uni Duisburg Essen wurden 2011 nicht einmal 2.000 Elektroautos in Deutschland angemeldet, davon nur rund 100 von Privatbesitzern. Den Rest nutzen Autohändler oder Umweltverbände als Showautos. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR sieht das Hauptproblem darin, dass potenzielle Käufer gar nicht erst mit der neuen Technik in Kontakt kommen.
Die bisherige Förderung von Elektromobilität - seit 2009 fördert die Bundesregierung acht Modellregionen mit insgesamt 150 Millionen Euro - hat daran nichts geändert. Zu kleinteilig, zu wenig sichtbar, kritisieren Experten. Das "Schaufenster"-Projekt soll nun endlich die Öffentlichkeit erreichen. Ein Vorteil für Berlin, meint eMO-Sprecher Lang: "Berlin ist nicht nur die größte Stadt und Hauptstadt Deutschlands. Es kommen auch jährlich 10 Millionen Touristen zu uns. Medienaufmerksamkeit ist garantiert." Die fehlende Industrie werde durch die Stärke von Forschung und Entwicklung ausgeglichen. Und: "Berlin hat einen sehr geringen Grad an individualisiertem Verkehr. Verglichen mit anderen Städten, haben hier wenige Leute ein eigenes Auto", sagt Lang. Genau das biete Chancen für alternative Verkehrskonzepte. "Eine zukunftsfähige Mobilität geht weg vom Individualverkehr, hin zur Patchworkmobilität." Dafür sei Berlin hervorragend geeignet, meint Lang: "Die Berliner sind sehr flexibel." Zudem liege rund um Berlin Brandenburg, das Energie liefern könne.
So sah das auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck: "Wir wollen zeigen, wie sich Großstadt und Flächenland optimal ergänzen", erklärte er anlässlich der Bewerbung im Januar. Brandenburg exportiert rund die Hälfte seines Stroms in andere Bundesländer. Der ist jedoch längst nicht so grün, wie die Landesregierung gerne suggeriert: Zwar gilt Brandenburg mit einem Anteil von fast 20 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien als Vorreiter - aber rund 80 Prozent des Stroms stammen weiterhin aus Braunkohle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts