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vorlaufFadenscheiniges

„Ende der Geduld“

(22.35 Uhr, Arte)

Im französischen Film dürfen bisweilen Männer noch echte Kerle sein. Und diese französisch-belgisch-deutsche Koproduktion, Florent Emilio Siris Unter-Tage-Drama, ist sehr französisch, zeigt Kohlekumpels wie aus dem Bilderbuch. Was meist wie Realsatire wirkt.

Mal gegenseitiges Verhauen mit vertraulichen Fausthieben – so werden Meinungsverschiedenheiten unter Freunden beigelegt. Mal schreien sich die Kumpels im Streik die Kehle heiser, bewegen sich dazu rhythmisch mit Holzknüppeln, erregte Männeraugen flackern hinter brennenden Barrikaden. Eine gekonnte Mischung aus Sexappeal (Marke: Männer laufen so richtig heiß, wenn sie kämpfen) und Proletariermythos (sieh an, diese Opfer einer unbarmherzigen Kapitalistenriege regen sich noch). Klartext: Werden jene Männlichkeitsfanatiker im Bergbauarbeiter-Look auf dem Bildschirm schließlich obendrein von der Polizei verdroschen, dass das Ketchup nur so spritzt, windet sich der Kumpel vor dem Fernseher vor Soli-Schmerz.

Und wir Kumpelinen liegen ergriffen auf der Fernsehcouch, bröseln vor Erregung die Paprika-Chips auf unsere Sofakissen. Ein bisschen schade ist es schon, dass Frauen – mit Ausnahme von Prostituierten, die das Sexualleben der Kumpels regulieren, und einer Reporterin, die sich sexistische Sprüche gefallen lassen muss – in diesem Film keine Rolle spielen. Aber dafür gibt es muskulöse nackte Männerkörper unter lauwarmer Dusche beim gegenseitigen Rücken-Einseifen. Wow, das geht unter die Haut – eine Trivialstory aus dem Gewerkschaftsmilieu, wie es Konservative gern mögen. Schwupps, da ist es: das Klischeebild des intriganten Funktionärs. Den Kumpels verschweigt er, dass das gestrichene Weihnachtsgeld nur als Versuchsballon dient, um ihre Reaktion zu testen. Des Gewerkschaftsführers eigentliche Befürchtung: Würden die Kumpels auch nur ahnen, dass es längst beschlossene Sache ist, die Zeche in Lothringen endgültig dichtzumachen, wäre deren Kampfgeist nicht mehr kalkulierbar. Dahinter steckt die alte reaktionäre Mär: Wozu organisieren? Man wird bloß ausgenutzt. Motto: Die wirklich Bösen sind nicht die Bosse, sondern die Gewerkschaftsbosse.

GITTA DÜPERTHAL

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