Fachkräftemangel im Gesundheitssystem: Teufelskreis der Belastung
In der Pflege fehlen Fachkräfte, dadurch steigt die Belastung der Beschäftigten. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen ziehen sich immer mehr Menschen aus dem Job zurück.
Es ist merkwürdig: Einerseits suchen Pflegedienste und -heime händeringend examinierte Fachkräfte. Andererseits aber steigt die Zahl der arbeitslos gemeldeten AltenpflegerInnen. "Die Leute bleiben oft nicht lange im Beruf", erklärt Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK). Die körperlichen und nervlichen Belastungen, die Schichtdienste schlagen auf die Gesundheit - und wer krankheitsbedingt ausscheidet, landet erst mal in der Arbeitslosenstatistik.
Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege schlägt der Verband jetzt Alarm. Am Montag startete er seine Aktion: "Gelbe Karte an die Bundeskanzlerin", in deren Rahmen Pflegekräfte gelbe Karten an das Bundeskanzleramt schicken können, auf denen sie gegen die hohe Belastung protestieren (www.dbfk.de). Verbandsgeschäftsführer Franz Wagner erklärte, das Hauptproblem der Beschäftigten sei "zu viel Arbeit für zu wenig Köpfe". Dies wiege sogar noch schwerer als die Frage einer angemessenen Bezahlung. Die Anforderungen an die Pflege in Heimen oder auch bei den Betroffenen zu Hause steige auch deswegen, weil die Verweildauern in den Krankenhäusern schrumpften.
"Wir bräuchten dringend mehr examinierte Fachkräfte", erzählt Bärbel Rogait, Pflegeleiterin bei einem ambulanten Pflegedienst in Berlin, "unsere Krankenschwestern arbeiten an der Belastungsgrenze". Früher zum Beispiel, schildert Rogait, blieben Patienten, die intravenös über einen Katheter versorgt wurden, im Krankenhaus. Heute aber werden die Betroffenen nach Hause entlassen, eine ambulante Pflegekraft muss dann bei der sogenannten Portversorgung die Zugänge legen. Die Arbeitsverdichtung pro Fachkraft habe "enorm zugenommen", schildert die Pflegedienstleisterin, die schon 40 Jahre in der Branche arbeitet.
Die Belastung entwickelt sich zum Teufelskreis, denn wegen des Stresses "gehen viele in andere Berufe oder reduzieren auf Teilzeit", so Rogait. Das wiederum verstärkt den Fachkräftemangel und damit die Arbeitsverdichtung für diejenigen, die in der Branche noch ausharren.
Vor kurzem warnte der Arbeitgeberverband Pflege, dass aufgrund des Mangels an examinierten Pflegekräften bald Stationen oder Heime geschlossen werden müssten. Der Arbeitgeberverband erwartet bis zum Jahre 2020 in der Pflege einen zusätzlichen Bedarf von 300.000 Arbeitskräften, davon 77.000 Fachkräften.
Dabei könnte die Arbeit unter besseren Bedingungen sogar Freude machen: "Ich mag eigentlich meinen Beruf", sagt Rogait. In ihrem Pflegedienst gibt es nur ein Zweischichtsystem. Eine Fachkraft verdient brutto zwischen 2.500 und 3.000 Euro im Monat. Das Dreischichtsystem in Kliniken und Heimen ist für viele Frauen ein großes Problem. "Viele Alleinerziehende bekommen die Schichtdienste nicht mit der Kinderbetreuung unter einen Hut", sagt Verbandssprecherin Knüppel.
Es gibt allerdings einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Kranken- und Altenpflege. Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der arbeitslos gemeldeten Altenpfleger und AltenpflegehelferInnen in zehn Jahren auf heute fast 40.000 nahezu verdoppelt. Die Zahl der arbeitslosen Krankenschwestern und -pfleger ist hingegen gesunken. Es werden heute aber mehr offene Stellen für AltenpflegerInnen als für Krankenschwestern angeboten - geeignetes Personal in der Altenpflege ist offenbar schwer zu finden.
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