Fachgespräch über Triage-Urteil: Ausschuss reagiert auf Kritik

Der Gesundheitsausschuss lädt zu Gesprächen. Zunächst vergessen: Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderung.

Schläuche eines Beatmungsgeräts

Beatmungsgerät an einem Coronapatienten Foto: Matthias Balk/dpa

Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat nun doch ein Mitglied einer ­Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung zum Fachgespräch über ­Triage eingeladen: Horst Frehe soll als Vorstand der Interessenvertretung „Selbstbestimmt Leben in Deutschland“ teilnehmen. Zuvor hatte die Liga der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung kritisiert, dass keine Selbstorganisation beim Fachgespräch eingeladen waren.

Das Gespräch soll am 16. Februar stattfinden und behandelt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Triage aus dem vergangenen Dezember. Triage meint, dass die medizinischen Kapazitäten fehlen, um alle Pa­ti­en­t*in­nen zu versorgen. Zum Teil geht es dabei um Leben und Tod.

Eine Gruppe behinderter Menschen war besorgt, dass sie benachteiligt werden könnten und klagte. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen recht. Bisher gab es nur eine Empfehlung des Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Die sei aber ein Einfallstor für Diskriminierung. Das Gericht forderte, unverzüglich ein Gesetz zu schaffen.

Auf der Sachverständigenliste des Gesundheitsausschusses standen bisher fünf Gruppen oder Personen. Als letzte in der Liste stand die Richterin und Behindertenaktivistin Nancy ­Poser, die unter anderem gegen die bisherige Regelung geklagt hatte. Vor ihr gelistet waren: die Bundesärztekammer, die Divi, ein Mitglied des Ethikrats und eine Münchener Oberärztin, die sich mit klinischer Ethik befasst.

Sie komme sich vor wie ein „Alibi“

Für Sigrid Arnade, Sprecherin der Liga, sind diese vier „ausdrücklich die Falschen, um über das Gesetz zu beraten.“ Sie unterstelle ihnen nicht, dass sie etwas Schlechtes im Sinn hätten. Aber das Bundesverfassungsgericht habe ihren Positionen eine Absage erteilt. Arnade kritisiert, dass die Argumente der Selbstvertretungen im Fachgespräch offenbar einen Rand­aspekt einnehmen.

Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) ist stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses. Sie erklärt, das Fachgespräch sei eine erste Befassung mit dem Thema Triage. Danach werde es „eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss geben“. Sie sei aber froh, dass Nancy Poser ihre Position im Ausschuss darstellen werde.

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, verweist darauf, dass seine Fraktion Poser als Expertin empfohlen hatte. „Ausdrückliches Anliegen der Union war es, die Perspektive von Menschen mit Behinderung angemessen zu repräsentieren.“

Nancy Poser sagte hingegen der taz, sie komme sich vor wie ein „Alibi“. Auch sie kritisiert, dass vor allem die medizinische Per­spek­tive zu Wort komme. Dabei sei aber eine gesellschaftliche Diskussion nötig.

Dass keine Organisationen von Menschen mit Behinderung eingeladen wurden, hält sie für ein schlechtes Zeichen. Sie hofft, dass das Gesetz trotzdem vor Diskriminierung schützt. „Sonst müssen wir ja wieder nach Karlsruhe.“ Dass der Ausschuss auf die Kritik reagierte und den Vorstand Horst Frehe einlud, begrüße sie. Aber es sei doch bezeichnend, dass es erst die Kritik gebraucht habe.

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