Facebook warnt nun vor Satire: Vorsicht! Könnte lustig sein
Facebook führt eine neue Markierung ein und spielt mal wieder den Spaßverderber. Diese soll satirische Posts als solche ausweisen.
Weil die Welt so unübersichtlich geworden ist, haben sich Facebook-Nutzer an Facebook gewandt und darum gebeten, Satire zu markieren. Sie wollen nicht mehr auf falsche Nachrichten reinfallen. Ist die Welt so schlimm und absurd, dass Überspitzungen nicht mehr funktionieren, weil alles irgendwie möglich ist? Facebook jedenfalls will seine Nutzer vor Parodie schützen und probiert deshalb eine Markierung für Artikel der amerikanischen Satirezeitschrift The Onion aus. Vor der als Nachricht getarnten Überschrift soll in eckigen Klammern „Satire“ stehen.
Will heißen: Achtung, lieber Leser, hier könnte es witzig werden. Vielleicht auch ein bisschen gemein. Vielleicht auch ein bisschen scharf. Satire eben. Ein Link zum Wikipedia-Artikel „Satire“ ist aber erst einmal nicht geplant.
In Deutschland veröffentlicht Der Postillon immer wieder entrüstete Reaktionen von Lesern, die die Meldungen zu ernst genommen haben. Ein russischer Fernsehsender verbreitete eine Geschichte des Postillons und ein rechter österreichischer Politiker empörte sich über die Nachricht: „USA drohen EU mit Sanktionen, falls EU Sanktionen gegen Russland nicht verschärft.“
Wenn so was passiert, wird die Welt nicht verwirrender, sondern lustiger und übersichtlicher: Es zeigt sich, wer zu doof für Satire ist und vielleicht besser nicht Politik machen sollte. Den Postillon jedenfalls will Facebook erst einmal nicht markieren.
Facebook senkt mit dieser Aktion den Anspruch und passt sich den Langweilern und Humorlosen an. Der kleinste gemeinsame Nenner hat mal wieder gewonnen. Ebenso wie die spießige Moral von Facebook: keine Nippel, keine Pimmel, keine vieldeutigen Witze. Dabei ist das Internet voll von Satire und Witz. Es sind oft gerade die nicht ganz ernst gemeinten Beiträge, die am meisten geliket und geteilt werden. Pech für den, der da keinen Spaß kennt.
Für die Autoren von The Onion bedeutet das, dass ihnen die Kommentare und Klicks verwirrter Nutzer abhanden kommen könnten. Die Wirkung ihrer Arbeit wird schwächer, denn wenn Satire gekennzeichnet wird, verpufft ihre Brisanz. Über die zu spotten, die es dann immer noch nicht kapieren, macht wenig Spaß und dürfte Schutzpatron Facebook nicht gefallen. Ingesamt wird die Welt mit einem Satire-Label also nicht übersichtlicher, sondern fader. Und was kommt eigentlich als Nächstes? Label für Propaganda und Verschwörungstheorien?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht