Facebook finanziert Forschung: Fragwürdige Kooperation
7,5 Millionen Dollar bekommt die TU München von Facebook für Forschung an Künstlicher Intelligenz. Nun wurden Details der „Schenkung“ bekannt.
Diesen Januar dann verkündete die Hochschule eine Kooperation mit dem Internetriesen Facebook: 7,5 Millionen Dollar hat der Konzern für das im Oktober gegründete Institut für Ethik in der Künstlichen Intelligenz in Aussicht gestellt. Die Drittmittel sollten ohne Auflagen und Erwartungen fließen. Ein nun öffentliches gewordenes Schreiben an den Institutsleiter hinsichtlich der „Schenkung“ lässt jedoch Zweifel an der Transparenz und der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre an der TU München aufkommen.
Laut der Vereinbarung, die der taz vorliegt, sollte das Geld gestaffelt über fünf Jahre fließen. Über die Fortführung der Zahlung entscheidet Facebook demnach jedes Jahr aufs Neue. Der Konzern, so heißt es in dem Dokument, behält sich das Recht vor, nach der Zahlung der ersten Tranche für 2019 die Kooperation jederzeit zu beenden.
Eine Klausel, in der Christian Kreiß, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen, bereits eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit sieht. Aus seiner Sicht schwebe „ständig das Damoklesschwert der Mittelbeendigung über den Forschern“, sagt er. Wenn die Forschung oder die veröffentlichten Ergebnisse nicht im Sinne von Facebook seien, könnten die Mittel jederzeit nach Gutdünken gestoppt werden, vermutet Kreiß.
Der Instituts-Leiter hat „keinerlei Bedenken“
Dem widerspricht der Leiter des beschenkten Instituts, Christoph Lütge, entschieden: „Eine Finanzierung in jährlichen Tranchen ist ein übliches Vorgehen, übrigens auch bei staatlichen Drittmitteln“, sagt Lütge der taz. Er habe „keinerlei Bedenken“, dass Facebook die Zahlungen an sein Institut wegen möglicherweise unliebsamer Forschungsergebnisse einstellen könnte.
Die meisten Forschungsprojekte seien in Bereichen angesiedelt, aus denen Facebook gar keinen Nutzen ziehen könne. So beschäftige sich ein Projekt mit Autonomem Fahren, ein anderes mit einem KI-gesteuertem Beratungssystem für Mediziner. „Da ist Facebook doch gar nicht unterwegs“, so Lütge.
Christian Kreiß zweifelt dennoch an der Unabhängigkeit der TU München bei der Kooperation mit Facebook. Grund dafür ist ein Vertrag zwischen Facebook und dem TU-Professor Daniel Cremers, der den Lehrstuhl für Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz innehat. In dem Vertrag, der der taz vorliegt, sichert sich Facebook ein Mitspracherecht bei personellen Nachbesetzungen. Das verstoße eindeutig gegen die Unabhängigkeit der Hochschule vom Geldgeber, so Kreiß.
Institutsleiter Lütge zufolge habe dieser Vertrag nichts mit der Kooperation zwischen Facebook und seinem eigenen Institut zu tun. Allerdings heißt es auch in dem an Lütge adressierten Schreiben, dass Facebook jeglicher Änderung an den Beschlüssen zur Verwendung der Mittel schriftlich zustimmen muss.
Ein „Ausverkauf“?
Christian Kreiß liest darin ein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen. Bei der Besetzung der Leitung für das neu gegründete Institut habe es kein ordentliches Bewerbungsverfahren und keine Auswahl durch ein unabhängiges Gremium gegeben. In dem Schreiben klingt es aber schon im Januar – also Monate vor der Institutsgründung – so, als sei Lütge für diese Position gesetzt.
Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, spricht von einem „Ausverkauf der eigentlich öffentlichen Hochschule“. Die Universitätsleitung mache sich abhängig von Konzerninteressen und „verscherbelt die Wissenschaftsfreiheit als Kern der Forschung“.
Laut Statistischem Bundesamt warben deutsche Hochschulen 2017 insgesamt 7,8 Milliarden Euro von öffentlichen und privaten Geldgebern ein – ein neuer Höchstwert. Oder anders formuliert: Im Jahr 2017 warb jedeR der rund 47.000 ProfessorInnen im Schnitt mehr als eine Viertelmillion Euro ein – an der TU München waren es fast dreimal so viel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung