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Facebook entschädigt Moderator*innenTraumatisierende Inhalte

Facebook zahlt Moderator*innen eine Entschädigung von insgesamt 52 Millionen US-Dollar. Das sollte Signalwirkung für die ganze Branche haben.

Vieles, was an Kommentaren, Bilder und dergleichen gepostet wird, ist psychisch belastend Foto: Felix Zahn/photothek/imago

Community-Manager*innen kennen die Belastung, die bei der Bewertung der durch Nutzer*innen generierten Inhalte entsteht. Neben der Herausforderung, im komplexen Feld von Gemeinschaftsstandards und gesetzlichen Vorschriften navigieren zu müssen, sind viele der geposteten Beiträge verstörend, abstoßend oder schlicht ekelhaft. Schlecht bezahlt ununterbrochen mit den Abgründen menschlicher Niedertracht konfrontiert zu sein, heißt, an einer Frontlinie unter Dauerbeschuss zu stehen.

Dass dieser Job zu Depressionen, Substanzenmissbrauch und sogar posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) führen kann, ist in der Diskussion um das Berufsbild viel zu wenig präsent.

Insofern ist es ein Meilenstein, dass Facebook in einer gerichtlichen Einigung mehr als 10.000 Moderator*innen eine Entschädigung von 52 Millionen US-Dollar zugesteht. Mindestens 1.000 Dollar pro Person und bis zu 50.000 Dollar für nachgewiesene Fälle von PTBS sollen ausgezahlt werden. Interessant sind zwei Punkte an der Einigung. Zum einen die Tatsache, dass die bei Subunternehmen angestellten Moderator*innen direkt von Facebook entschädigt werden: Schließlich sind die Gründe für das Outsourcing an Unternehmen wie Accenture, CPL oder Cognizant eine erhöhte Flexibilität, geringere Kosten und eben nicht zuletzt der Schutz vor arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen.

Ob genau diese Brandmauer vor Klagen von Moderator*innen auch nach europäischem Recht fällt, wird sich in einem ähnlichen, in Irland laufenden Verfahren gegen CPL und Facebook zeigen. Inwieweit Entscheidungen in Nordamerika oder Europa Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den Moderationssweatshops auf den Philippinen oder in Indien haben, steht aber in den Sternen.

Künftiger Arbeitsschutz

Die Signalwirkung der Einigung über die Entschädigung ist aber zumindest in den USA für die ganze Branche bedeutend. Das Problem betrifft ja nicht Facebook allein, sondern alle Netzwerke, die vom user generated content leben, wie Twitter und vor allem die Googletochter Youtube. Der zweite Teil der Einigung hat dabei nicht weniger Gewicht. Denn während die finanzielle Kompensation auf einen bestimmten Personenkreis in vier Bundesstaaten begrenzt ist, enthält das Papier, dem die Kläger*innen und das Gericht noch endgültig zustimmen müssen, Regelungen zum künftigen Arbeitsschutz für die Moderator*innen.

Darunter fällt die Verpflichtung, ausgebildetes und auf PTBS spezialisiertes Personal vorzuhalten. Mit dem soll es regelmäßige Einzel- und Gruppensitzungen für die Angestellten geben, bei besonders belastenden Aufgaben sogar im Wochenrhythmus. Eine Möglichkeit für Moderator*innen, bestimmtes Material aus der eigenen Moderationsschleife herauszuhalten, soll geschaffen werden. Dazu kommen technische Hilfestellungen, die das Maß verringern sollen, in dem die Angestellten belastendem Material ausgesetzt sind. Das sind beispielsweise eine automatische Stummschaltung von Videos oder die Verkleinerung des Ansichtsfensters bis auf Thumbnailgröße.

Teil der Einigung ist jedoch auch eine gewisse Rückversicherung für Facebook. Die volle Verantwortlichkeit für Verstöße gegen die angestrebten Arbeitsschutzstandards will das Netzwerk dann doch nicht übernehmen. Es verpflichtet sich zwar, auf deren Einhaltung zu drängen und diese bei den Subunternehmen zu überprüfen. Die Nachhaltigkeit dieser Kontrollen kann aber durchaus angezweifelt werden. Und das nicht nur mit Blick auf die außerhalb der Landesgrenzen operierenden Moderationsdienstleister. Denn deren Geschäft ist auch in den USA von heftigen Preiskämpfen und häufigen Anbieterwechseln geprägt. Immer wieder ziehen sich Firmen ganz vom Markt zurück.

Ein Automatismus folgt aus der gerichtlichen Einigung, die nach Auskunft der Anwälte die erste ihrer Art ist, also nicht. Ein Anfang aber ist gemacht. Ein Anfang, an dem zumindest implizit anerkannt wird, was für ein Knochenjob die Contentmoderation ist und welche Maßnahmen helfen könnten, ihn erträglicher zu machen

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