Facebook-Alternative: Teilen ohne Überwachung
Ein Berliner Start-up will Facebook Konkurrenz machen – und die Privatsphäre der Nutzer schützen. Spannend wird die Frage der Finanzierung.
BERLIN taz | Das soziale Netzwerk Facebook sammelt Informationen über seine Nutzer, versorgt sie mit Werbung und löscht auch Gelöschtes nicht – all das wissen viele Anwender. Schwierig ist allerdings, sich davor zu schützen, ohne gleich komplett auf ein soziales Netzwerk zu verzichten. Die Gründer der Seite, die in diesen Tagen starten soll, wollen das Dilemma lösen. Sie versprechen: ein soziales Netzwerk mit Datenschutz.
Ein kleines Büro in einem Berliner Gemeinschaftsbüro und vier Mitarbeiter – von facebookähnlichen Dimensionen sind die Gründer von Whispeer noch weit entfernt. Doch sonst sind sie selbstbewusst: „Bei uns sollen Nutzer auch Inhalte teilen können, die so privat sind, dass sie das in anderen Netzwerken nicht tun würden“, sagt Gründer Nils Kenneweg. Der 23-Jährige arbeitet mittlerweile seit fast vier Jahren an der Umsetzung seiner Idee, neben Studium und Job. Ernst wurde es vor einem halben Jahr: Seitdem testen 300 Nutzer in einer Betaphase das Netzwerk.
Die Macher versprechen ein Maximum an Datenschutz. Während sich Nutzer bei anderen Anbietern erst durch das Menü arbeiten müssen, um etwas Privatsphäre zu erhalten, sollen bei Whispeer sämtliche Einstellungen standardmäßig privatsphärefreundlich sein. Zudem lägen die Daten verschlüsselt auf dem Server, auch die Kommunikation unter den Nutzern, etwa per Messenger, erfolge verschlüsselt, an den Schlüssel komme nur der Nutzer selbst. Und Daten, die ein Nutzer in seinem Profil löscht, verschwänden auch auf dem Server.
Doch ohne Datensammelei fällt auch etwas anderes weg: die in der Branche übliche Einnahmequelle. Nutzerdaten verkaufen oder passende Werbung einblenden können die Unternehmer nicht. Und die Nutzer direkt zur Kasse zu bitten, würde höchstwahrscheinlich das Aus noch vor dem Anfang bedeuten. Kenneweg setzt deshalb zunächst, wie in den vergangenen Jahren, auf Eigenkapital und hofft, dass zufriedene Nutzer etwas spenden. Mittelfristig sollen zudem Premiumkunden Einnahmen bringen, die für zusätzliche Funktionen zahlen.
Datenschutz für Dummies
Anders als das ebenfalls datenschutzfreundliche Netzwerk Diaspora, das seinen Nutzern technische Kenntnisse abverlangt und daher seit Jahren eher ein Nischendasein fristet, wollen die Whispeer-Gründer auch Nutzer ohne Technikwissen ansprechen. „Die Leute, die gerne verschlüsseln würden, aber denen das Know-how fehlt“, so beschreibt es Kenneweg. Das Kriterium Mitgliederzahl, die einen solchen Dienst erst erfolgreich machen kann, wischt er weg: „Ich bin auch froh, wenn es nur ein paar Hundert sind, die verschlüsselt kommunizieren können.“
Andere privatsphärefreundliche Dienste verzeichnen seit den Snowden-Enthüllungen durchaus auf Zuwächse. So hat sich etwa die Zahl der täglichen Suchanfragen über die datenschutzfreundliche Suchmaschine Startpage von damals 2,5 Millionen auf über 5 Millionen verdoppelt. Gemessen am Markt liegt der Anteil jedoch im Promillebereich. In einer Umfrage des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, hinter dem die Deutsche Post steht, gab jeder Fünfte an, sich seit den Enthüllungen etwas oder viel vorsichtiger im Netz zu bewegen.
Leser*innenkommentare
Andreas V.
Warum wird hier Ello (http://www.ello.co) nicht erwähnt, das schon genau nach den genannten Prinzipen in der geschmeidigen und visuell schicken Beta-Version läuft?
Keine Werbung und kein Verkauf von Daten, finanziert durch Spenden, Fanartikel-Verkauf und später bezahlbare Extraservices für Premiumuser. Als "public benefit corporation" ist das Unternehmen zudem an einen gemeinnützigen Zweck gebunden und für Zuckerberg demnach nicht von Interesse.
ingox
@Andreas V. Vielleicht weil Ello keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung implementiert und daher nur Lippenbekenntnisse gibt? Die Umsetzung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist zwar unklar und wird erst vertrauenswürdig sein, wenn sie von Kryptoexpertinnen geprüft wurde, aber offenbar haben sie wenigstens vor, das zu machen.
Heinz Melwart
Und sollte doch mal einer dieser Alternativ-Netzwerke erste Erfolge zeigen, kommt Mark mit einem dicken Scheck vorbei und schon wars das .... wäre ja nicht das erste mal (siehe Google, Apple, etc.)
Nils Kenneweg
@Heinz Melwart Die Idee hinter whispeer ist ja gerade, dass selbst Mark die Daten nicht lesen kann. Natürlich kann es immer noch passieren, dass dieser das Netzwerk kauft und dann die Verschlüsselung langsam "ausbaut". Dies ist aber um einiges uninteressanter, da das Geschäftsmodell von Facebook auf den Inhalten der Nutzer basiert und diese dank Verschlüsselung gar nicht lesbar sind.
EDL
Alternativen mit großen Datenschutzambitionen zu facebook gibt es bereits einige! Bisher hat es keiner zu größerer Popularität geschafft und auch Whispeer wird da m.E. keine Ausnahme sein.
Letztlich ist facebook etwas mehr als nur Kommunikation: Fan-/Firmen-Pages, Gruppen, Games sind über Jahre gewachsen und ein für Milliarden notwendiger Teil des Netzlebens geworden und daran wird sich auch nichts ändern ... genauso wenig wie die Naivität eines Großteils der facebook-User was den Datenschutz angeht.
Trotzdem ist natürlich allen nichtkommerziellen Social-Network-Alternativen jeden erdenklichen Erfolg zu wünschen!
ulath
Die Behauptung, dass Diaspora nur für technisch versierte Nutzer ist, stimmt einfach nicht. Man kann Diaspora auch benutzen ohne einen eigenen Pod aufzusetzen. Das funktioniert so wie bei E-Mail-Anbietern.
Es würde ja auch niemand behaupten, dass E-Mail nur für technisch versierte Personen passt, weil man sich AUCH seinen eigenen Server aufsetzen kann.
Die Registrierung von Diaspora an einem bestehenden Pod ist genau so einfach wie bei Facebook.
Zudem ist ein dezentrales Netzwerk hier sicherlich deutlich datenschutzfreundlicher.
z.B. https://joindiaspora.com/
Nora Keller
Interessant. Die Frage wird sein, ob sich die Idee durchsetzt. Datenschutz hin oder her. Facebook ist inzwischen fester Bestandteil im Alltag vieler Menschen geworden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese ihre "Freunde, Fotos etc." zurücklassen und dem Dienst den Rücken kehren. Das wird wohl eher für Nutzer gelten, die bisher auf eine Teilnahme bei Facebook aufgrund des Datenschutzes verzichtet haben oder es nur in einem sehr geringen Umfang nutzen. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich der Dienst entwickelt.