Fabian Kretschmer über die deutsche China-Wahrnehmung: Wo bleibt die Empathie?
Als Der Spiegel letzte Woche seine Cover-Story mit der Schlagzeile „Made in China“ anpries, zeigten sich viele Chines*innen enttäuscht und wütend. Sie halten solche Berichte für Belege westlicher Scheinheiligkeit. Oder wäre vor zehn Jahren ein Medium auf die Idee gekommen, bei der Vogelgrippe „Made in USA“ zu titeln?
Insbesondere bei den Artikeln der Peking-KorrespondentInnen aus dem englischsprachigen Raum schimmert nicht selten Schadenfreude darüber durch, dass die Kommunistische Partei in Peking nun angesichts des Virusausbruchs politisch in Bedrängnis gerät. Natürlich gibt es genügend Grund zur Kritik: Die chinesische Regierung sorgt durch Unterdrückung der Meinungsfreiheit und unabhängiger Berichterstattung für ein Klima der Verunsicherung. Die Parteikader aus Wuhan haben gar durch Verschleierungsaktionen den Virusausbruch deutlich verschlimmert.
Und dennoch ist der Mangel an Empathie gegenüber der Bevölkerung geradezu erschreckend: Für das Gros an ChinesInnen ist die Situation belastend bis existenziell gefährdend. Die Quarantänemaßnahmen und massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zerren an den Nerven, rauben Kleinunternehmern und Arbeitsmigranten die wirtschaftliche Grundlage. Die Opfer, die die Leute mit teils beeindruckender Disziplin erbringen – auch weil die Regierung sie mit ihren drastischen Maßnahmen angeordnet hat –, sollten gewürdigt werden.
Die Quarantäne einer Provinz mit rund 60 Millionen Menschen ist schließlich einmalig in der Menschheitsgeschichte. Allzu schnelle Schuldzuweisungen sind da unangebracht.
Hongkongs Katholiken sollen wegen des Coronavirus zwei Wochen lang nur Internet-Gottesdienste besuchen. Andere Messen würden vom Samstag bis zum 28. Februar ausgesetzt, sagte Kardinal John Hon Tong in einer Videobotschaft. Mit einer Gesichtsmaske bekleidet, bat er die etwa 400.000 Katholiken der chinesischen Sonderverwaltungszone, nicht in Panik zu verfallen. Sie sollten Schutzmaterial verwenden, an Onlinemessen teilnehmen und füreinander beten. Die nächsten beiden Wochen seien entscheidend, um das Virus Covid-19 einzudämmen.
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