FRAUEN IN DER BILDHAUEREI

■ Podiumsdiskussion mit West- und OstkünstlerInnen im Körnerpark

Am vergangenen Samstag nachmittag wurde unter der Leitung von Leonie Baumann in der Ausstellung „Werner Stötzer Seine Lehrer, seine Schüler“ in der Galerie im Körnerpark in Neukölln das Themen „Frauen in der Bildhauerei“ zur Diskussion gestellt. TeilnehmerInnen waren Leonie Baumann (Berlin-W), Sylvia Hagen (DDR), Vera Krickhahn (Berlin-W), Werner Stötzer (DDR) und Gertraud Wendland (DDR).

Schon der Ausstellungstitel wirft ein Streiflicht auf das Problem: „Seine Schüler“ steht auf der Einladung, obgleich fünf von elf Ausstellenden weiblich sind, eine nahezu realisierte Quotenregelung. Da auch etwa 50 Prozent der Studierenden an Kunsthochschulen in der DDR weiblich sind, zeigt die Ausstellung einen angemessenen Ausschnitt: daß genauso viel Frauen wie Männer eine ausbildungsfähige Qualität besitzen, wird weder hüben noch drüben bestritten.

Erst im Berufsleben und bei den Bemühungen, sich als Künstler oder Künstlerin durchzusetzen, treten die Probleme auf, die jedoch im Ergebnis der Diskussion von den West -Berliner Künstlerinnen schärfer gesehen und empfunden werden als von den ostdeutschen.

Überraschend schnell pendelte sich so das Gespräch, das von Leonie Baumann, Kunst-am-Bau-Beauftragte des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK), kenntnisreich und umsichtig geführt wurde, auf den Gegensatz „bei uns“ und „bei euch“ ein. Während West-Berliner Künstlerinnen von ihren alltäglichen Erfahrungen subtiler Diskriminierungen im Berufsleben („Frauen müssen auf dem Bau erst beweisen, daß sie es können, sonst werden sie nicht für voll genommen.“ Vera Krickhahn) berichteten, fühlen sich die DDR-Frauen mehr durch familiäre Rollenverteilung in ihren Entwicklungsmöglichkeiten behindert („Der Mann kann arbeiten, wenn das Kind zu Hause ist, die Frau nicht.“): In der DDR gibt es ebenso wie bei uns nur sehr wenige Frauen, die in der Lehre tätig sind. Während die West-Berliner Künstlerinnen daraus jedoch die Forderung nach Änderung ableiten („KünstlerInnen müssen auch von Frauen lernen können.“), nehmen die DDR-Künstlerinnen auch hier eine eher persönliche Haltung ein. (Sylvia Hagen: „Ich will gar keine Professur, weil ich dann viel zu wenig Zeit für meine Arbeit hätte.“ Gertraud Wendlandt: „Seit ich meine Funktion im Verband Bildender Künstler der DDR aufgegeben habe, bleibt mir viel mehr Zeit für meine eigene Arbeit.“)

Leonie Baumann berichtete, daß bei der Vergabe von Kunst-am -Bau-Aufträgen bis zu einer Auftragssumme von 200.000 DM relativ viele Frauen Aufträge bekommen, daß jedoch umso weniger Frauen berücksichtigt werden, je höher die zu vergebende Summe ist. Gertraud Wendlandt erzählte, daß in ihrem Bezirk relativ wenige Künstler leben, so daß bei der bezirklichen Vergabepraxis ihre Auftragslage günstig sei und sie wenig von diskriminierenden Entscheidungen betroffen ist. In Bezirken, in denen viele Künstler wohnen, ist die Konkurrenz größer, wobei nach ihrer Beobachtung „Männer cleverer sind“, ihre Interessen durchzusetzen.

Werner Stötzer - Bildhauer, Akademiemitglied, Professor, Preisträger - erklärte, „daß Frauen als Subjekt und Objekt“ in seinem Künstlerleben eine wichtige Rolle eingenommen haben und er sich immer bemüht habe, sich für Frauen einzusetzen. Wer sich in der Ausstellung umblickte, sah den Beweis vor Augen - überwiegend Frauenakte, in Holz, Stein, Bronze, als Zeichnung und Graphik; am Diskussionstisch neben ihm seine Frau Sylvia Hagen und seine Schülerin Gertraud Wendlandt.

Aus seinem Munde hörte ich während der zweistündigen Veranstaltung den Satz, der am deutlichsten zeigte, wo wir stehen, und bewußt machte, wo auch die DDR-Künstlerinnen ihr Problem haben, selbst wenn es von ihnen nicht als gesellschaftliches Problem artikuliert wird. Er erzählte, daß vor kurzem zu den 19 männlichen Mitgliedern der Akademie der Künste der DDR eine Frau hinzugewählt werden sollte: „Es ist den Männern unheimlich schwergefallen, eine Frau zu wählen.“ Dieser Satz beleuchtete schlagartig den ganzen Irrationalismus von Entscheidungsstrukturen, vor dessen Hintergrund eine Forderung nach einer Quotierung sinnvoll, ja geradezu notwendig erscheint. Zwar wurde eine Quotenregelung nicht verlangt, aber die Gleichbehandlung von Männern und Frauen von Susanne Wehland vehement verteidigt. Leider wurde die von rund 30 ZuhörerInnen besuchte Veranstaltung jedoch beendet, bevor Möglichkeiten der Verwirklichung dieser Forderung diskutiert werden konnten.

Da aber deutlich wurde, daß die West-Berliner Künstlerinnen nicht länger bereit sind, sich widerspruchslos den Benachteiligungen zu fügen, wird eine Fortsetzung des Gesprächs - wo und wann auch immer - unvermeidlich sein.

Brigitte Hammer

Die Ausstellung in der Bildhauergalerie Messer-Ladwig und der Galerie am Körnerpark läuft noch bis zum 1.10.89.