FPÖ-Chef Herbert Kickl entzaubert: Ein österreichisches Lehrstück
Nach dem Scheitern seiner Verhandlungen mit der ÖVP muten die verbalen Ausfälle des FPÖ-Chefs Herbert Kickl zahnlos an. Der Ton stimmt nicht mehr.
N ach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen der extrem rechten FPÖ und der konservativen ÖVP ist es merkwürdig still geworden um Herbert Kickl.
Der FPÖ-Chef machte sich zuletzt nur durch eine erstaunliche Meldung bemerkbar: „Bei diesem antidemokratischen ‚Staatsstreich‘ in einem EU-Land hat sich die Brüsseler Elite nicht als Verteidiger der Demokratie bewährt, sondern als heuchlerischer Saboteur. […] Demokratische Grundprinzipien, Grund- und Freiheitsrechte – all das gilt offensichtlich nur dann, wenn es sich innerhalb des von Brüssel erwünschten und von der Bevölkerung abgekoppelten ‚Meinungskorridors‘ bewegt“, so der FPÖ-Chef.
Auch den österreichischen Bundespräsidenten attackierte er: „Freie Wahlen sind das Herzstück einer jeden Demokratie und das ureigenste Recht der Staatsbürger. Dieses Recht zu beschneiden, ist schlicht und ergreifend unerhört. Das Recht auf freie und faire Wahlen ohne die Einmischung Brüssels muss nicht nur […] schnellstmöglich wieder sichergestellt werden, sondern grundsätzlich auch für die Zukunft verteidigt werden. Bundespräsident Van der Bellen und die Bundesregierung haben sich daher klar auf die Seite des Souveräns und damit auf die Seite der Demokratie zu stellen.“
Gemeint war die Entscheidung Rumäniens, die nochmalige Kandidatur des extrem rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu abzuweisen. Aber niemand nahm es wohl nur als Aussage zur rumänischen Wahlrechtsordnung. Schon allein durch die überzogene Emotion wirkte es wie eine Brandrede in eigener Sache. Zudem war es dieselbe „Argumentation“, dieselbe Schuldzuweisung wie jene nach dem Scheitern seiner Koalitionsverhandlungen. Auch da musste Brüssel, musste die EVP mit ihren „Anweisungen“ an die ÖVP als Schuldige herhalten.
Aber Kickl hat seine Chance gehabt. Er hatte die Möglichkeit, eine Koalition zu bilden, er hatte die Möglichkeit, österreichischer Kanzler zu werden. Und wenn er jetzt tobt, wenn ihm jetzt Rumänien als Vehikel dient, wenn er jetzt „Diktatur“ ruft – dann muss man festhalten: Er hatte die Gelegenheit. Niemand hat sie ihm weggenommen. Er hat sie selbst verspielt. Keine Ungerechtigkeit. Keine schlechte Behandlung, die man anklagen könnte. Schuldig ist er selbst. Höchstpersönlich.
Chance verspielt
Dass er seine Chance verspielt hat, macht sein jetziges Getöse zum Gekläffe. Ob das von innen auch so wirkt? Von außen betrachtet, außerhalb der Freiheitlichen-Blase, sind Kickls Angriffe jedenfalls merkwürdig zahnlos geworden. Nicht so sehr inhaltlich. Aber der Ton stimmt nicht mehr.
Wenn er bei der traditionell derben Aschermittwochrede im Bierzelt auf den Putz hauen möchte und als größten Trumpf nur zu bieten hat: Er sei kein „Doch-nicht-Kanzler“, sondern „Noch-nicht-Kanzler“. Das Projekt der Volkskanzlerschaft sei nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Der Schritt zurück diene nur dem längeren Anlauf ins Kanzleramt. Dann hört sich das nicht nur merkwürdig ausgehöhlt an.
Das hat schon etwas Verzweifeltes. Er ist nicht mehr Verantwortungsträger in spe, sondern außer Dienst. Er ist gewissermaßen vor seinem Antritt emeritiert. Ein Rohrkrepierer.
Die Empörung ist nicht mehr angemessen. Das Hass-Pathos, die Rage – all das klingt hohl. Falsch. Wie ein beleidigtes Aufjaulen, das sich noch in den Mantel des großen Erregungsauftritts hüllt.
Zu wenig Gewicht fürs Staatsamt
Dabei erinnert es mehr an jene Szene aus Asterix, wo sich der große, imposante Gote „Verkrümeldich“ im Fellmantel als Freiwilliger bei der römischen Armee bewirbt. Im nächsten Bild sieht man den abgelegten imposanten Mantel und ein zaundürres Männchen kommt heraus und ruft: „Zu dünn sagen sie! Zu dünn für die Armee!“
Es ist diese Art von Abstreifen des Mantels, der Hülle der Aggression – es ist diese Art von „Entzauberung“, die Herbert Kickl erfahren hat: zu dünn, zu wenig Gewicht fürs Staatsamt. Man darf sich dennoch keiner Illusion hingeben. Das ist kein politischer Sieg gegen rechts gewesen, sondern nur deren Versagen. Aber es gewährt zumindest eine Atempause. In der kann die österreichische Ampel arbeiten.
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