FERNSEHDUELLE SIND WICHTIG, ABER NICHT WAHLENTSCHEIDEND: Die große Stunde der Medienberater
Noch steht nicht fest, ob Historiker es später einmal für nötig erachten werden, sich mit der Person von Edmund Stoiber ausführlich zu beschäftigen. Dennoch ist ihm ein Platz im Museum sicher. Die Studiodekoration des TV-Duells soll nämlich – bereits vom 3. Oktober an! – im Haus der Geschichte in Bonn ausgestellt werden, wie ZDF-Programmdirektor Nikolaus Brender erklärte. Begründung: Die Sendung sei das bestimmende Element der Bundestagswahl gewesen.
Toll, dass er das jetzt schon weiß. Bleibt es dabei eigentlich auch, wenn Stoiber die Wahlen gewinnt, obwohl Schröder allen Umfragen zufolge als klarer Sieger aus dem Zweikampf hervorgegangen ist? Brender hätte Recht, falls er sich darüber keine Sorgen machte. Das öffentliche Gedächtnis ist kurz, und er kann darauf vertrauen, dass ihm diese Frage nach der Wahl niemand mehr stellen wird.
Manche Journalisten möchten von jeher glauben, ihr Medium habe nicht in erster Linie den Auftrag, die Wirklichkeit zu beschreiben, sondern vielmehr die Aufgabe, den Lauf der Geschichte selbst zu bestimmen. Damit können sich diese Journalisten ein bisschen lächerlich machen – mehr allerdings auch nicht. Dasselbe gilt für Museumsdirektoren, die ein Ereignis für museal und historisch relevant erklären, kaum dass es stattgefunden hat. Die Botschaft ist in beiden Fällen eindeutig: Wir sind wichtig, wichtig, wichtig. Bedeutende Zeitzeugen einer bedeutenden Epoche, von der die Nachwelt jedes Bröselchen erhalten sehen will. Na schön. Wenn’s denn dem Selbstbewusstsein gut tut.
Im Zusammenhang mit den öffentlichen Streitgesprächen zwischen Kanzler und Herausforderer gibt es eine einzige wirklich interessante Frage, und diese wird sich leider niemals abschließend klären lassen: Sähe das Ergebnis der Bundestagswahl anders aus, wenn die Sendungen niemals ausgestrahlt worden wären? Aus Gründen der Existenzsicherung haben die Medienberater aller Beteiligten ein parteiübergreifendes Interesse am kollektiven „Ja“. Eine Verneinung der Frage nähme ihnen den geheimnisvollen Nimbus von Drahtziehern, die Meinungsbildung so zu steuern vermögen, dass am Ende das vom Auftraggeber gewünschte Ergebnis herauskommt. Eine verunsicherte Öffentlichkeit scheint in steigendem Maße bereit zu sein, diese Deutung zu akzeptieren und sich somit selbst entmündigen zu lassen.
Dabei hat sie dazu eigentlich keinerlei Veranlassung. Seit Stoiber seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt hat, liegt er hinsichtlich seiner Sympathiewerte weit hinter dem Amtsinhaber. Die Nase vorn hat er hingegen seit ebenjenem Zeitpunkt, wenn es um die angeblich größere Kompetenz im Zusammenhang mit dem – wichtigen – Thema Arbeitslosigkeit geht. An beiden Faktoren hat der jüngste Zweikampf nichts geändert. Man ahnt, mit welchen Argumenten die Medienberater am Wahlabend den Sieg ihres jeweiligen Schützlings erklären werden.
Vielleicht sind Fernsehsendungen tatsächlich besonders geeignet, die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Sollte es so sein, dann käme dem Medium genau jene Bedeutung zu, die es verdient: eine wichtige, aber nicht die entscheidende. Dafür spricht übrigens auch, dass die Bedeutung der kleineren Parteien allen Umfragen zufolge durch die Duelle der Großen nicht gemindert zu werden scheint. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung will ihre Entscheidung offenbar weiterhin daran ausrichten, wie sie die Politik der letzten vier Jahre beurteilt und was sie sich von der nächsten Legislaturperiode erhofft. Bleibt die Frage, ob es den Wählerinnen und Wählern gelingen kann, den Einfluss der Imageberater künftig stärker zu begrenzen.
Folgenlos bleibt dieser Einfluss für den Wahlkampf nämlich nicht. Medienberater kennen im Regelfall die Ochsentour nicht, die eine Parteikarriere bedeutet, und sie haben auch die Zwänge und Chancen eines offen ausgetragenen Kampfes um Mehrheiten niemals erlebt. Ihr Grundprinzip lautet daher: Bloß kein Risiko eingehen. Mit diesem Prinzip wären aber weder Schröder noch Stoiber je an die Spitze gelangt. Sie sollten daher Leuten, die vom politischen Alltagsgeschäft nicht wirklich etwas verstehen, auf dem Zenit ihrer Karriere nicht mehr vertrauen, als sie es zu deren Beginn getan hätten, und Fernsehsendungen nicht so wichtig nehmen. BETTINA GAUS
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