FDP nach Desaster am Wahlsonntag: Führung dringend gesucht
Nach dem Wahldebakel übt sich Parteichef Guido Westerwelle in Selbstkritik. Zu seinem Glück gibt es noch andere angeschlagene Parteifreunde. Das lenkt von seiner Person ab.
BERLIN taz | Demonstrativ selbstkritisch tritt FPD-Chef Guido Westerwelle am Montagnachmittag vor die Hauptstadtpresse. "Ein ,Weiter so' darf es nicht geben. Wir haben die Botschaft der Wähler verstanden", sagt er. Man könne nach einem solch enttäuschenden Wahltag nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Wie schon am Vortag, kurz nachdem die FDP aus dem Landtag in Rheinland-Pfalz gewählt worden war und nur denkbar knapp ins Parlament in Baden-Württemberg ziehen konnte, wirkt Westerwelle erschöpft. Mit versteinerter Miene wiederholt er vorgefertigte Versatzstücke. Es werde eine "tiefgründige Diskussion" geben, es gebe "nichts zu beschönigen", das Vertrauen der Wähler müsse "langfristig zurückgewonnen werden". Und immer wieder: "Wir haben verstanden". Ein Satz, den er seit einem Jahr wiederholt. Welche Schlüsse er daraus zieht, lässt er offen.
Man werde mit der Partei inhaltlich und personell diskutieren. Etwa das Thema Energiepolitik. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima habe die Wahlen maßgeblich beeinflusst, so Westerwelle. Wäre die Partei aber insgesamt besser aufgestellt gewesen, hätte das den Liberalen nicht derart geschadet. Jetzt diskutierten einige Parteimitglieder, ob der Atomkurs der letzten Wochen richtig gewesen war.
Seine persönliche Zukunft lässt Westerwelle auch am Montag offen. Im Mai wird auf dem "Parteitag der Entscheidungen" die gesamte Parteispitze neu gewählt, das "Team, das die nächsten zwei Jahre die Partei führen soll", wie Westerwelle sagte. Darüber entschieden werde bei einem Spitzentreffen am 11. April.
Mit offenen Rücktrittsforderungen an den Parteichef halten sich bisher aber selbst seine parteiinternen Gegner zurück. Sie haben sich stattdessen auf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, Parteichef in Rheinland-Pfalz, und Fraktionschefin Birgit Homburger, Parteichefin in Baden-Württemberg, eingeschossen. Selbst Schleswig-Holsteins FDP-Chef Wolfgang Kubicki verkniff sich Angriffe auf den Parteichef, will aber, dass Homburger zurücktritt.
Lasse Becker, Chef der Jungliberalen, forderte den Rückzug Brüderles. Und Gerhard Baum, ehemaliger FDP-Innenminister, will, dass die Jüngeren in der Partei das Ruder übernehmen. Gesundheitsminister Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Linder etwa. Letzterer sagte am Montag im Deutschlandradio Kultur, es müsse eine Diskussion über die Mannschaftsaufstellung geben, nicht nur über den Trainer.
In der Bundesvorstandssitzung gab es nur vereinzelt Kritik an Westerwelle. Christian Ahrendt, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte der taz, "die Stimmung war gut, aber nicht euphorisch", und lenkte die Debatte auf den Koalitionspartner. "Wir müssen überlegen, was wir mit der Union noch erreichen wollen und können." Das sei die Kernfrage, nicht die des Parteichefs.
Westerwelle ist dennoch angeschlagen. Zu seinem Glück gibt es mit Brüderle und Homburger zwei, die derzeit noch stärker unter Druck stehen. Brüderle hat inzwischen seinen Landesvorsitz zur Verfügung gestellt. Ob sich der Unmut der Basis durch die Rücktritte der beiden abbauen lässt, ist offen.
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