FDP-Parteitag mit Guido Westerwelle: Einfach weggeklatscht
Dankbar und souverän, so sollte Guido Westerwelles Abschiedsrede klingen - doch die Wut bricht immer wieder durch. Trotzdem findet er ein paar wenige Worte der Selbstkritik.
ROSTOCK taz | Das Lächeln wich nicht. So schwer es dem Parteichef auch gefallen sein muss, nach zehn Jahren aus dem Amt gedrängt zu werden, so sehr mühte er sich, es sich nicht anmerken zu lassen. In seiner letzten Rede als starker Mann der FDP gab Guido Westerwelle den versöhnlichen Staatsmann, der die Welt im Auge hat und Niederlagen erduldet.
Doch wie immer gelang es ihm in seiner rund einstündigen Rede nur streckenweise, das Maß zu halten. Westerwelles Verletztheit und Reizbarkeit brachen sich immer wieder Bahn.
Der viel gescholtene Frontmann machte es seiner Partei schwer, ihn noch einmal für die Krise verantwortlich zu machen. Mehr als ein Dutzend Mal bedankte sich der 49-Jährige bei so ziemlich jedem aus der Führungsriege, vor allem bei jenen, die mit dem Parteivorsitzenden aufgestiegen sind und nun mit ihm einen Karriereknick erleben: bei der scheidenden Parteivize Cornelia Pieper, die ihren Platz räumen soll für die aus dem Fraktionsvorsitz verdrängte Birgit Homburger. Die weiteren Parteivize-Posten sollen die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow besetzen.
Sechzehn schöne Jahre
So hält es Westerwelle im ersten Teil seiner Rede: Als Dank an andere verkleidet, preist er "eine ganz ungewöhnliche Erfolgsstrecke" in "immerhin zehn Jahren" als FDP-Chef und sieben Jahren als Generalsekretär. Die rund 600 Delegierten in der Messehalle Rostock wissen, ohne ihn wären sie heute nicht in Amt und Funktion. Doch öffentlich bezweifelt niemand, dass es die richtige Entscheidung war, Westerwelle abzulösen.
Mit seiner rhetorischen Umarmung macht es der Taktiker seinen Kritikern schwer, ihm den verbliebenen Posten als Außenminister streitig zu machen. Der neue Fraktionsvize Martin Lindner, der am Mittwoch eine Parteitagsdebatte genau darüber gefordert hatte, nahm seinen Antrag auf massiven Druck zurück.
Der Rest von Westerwelles Rede war weniger geschmeidig. Dem dauerlächelnden Mann war anzumerken, wie schwer ihm der Verzicht fällt. Wer wollte, konnte es als Drohung oder Anmaßung verstehen, als Westerwelle dem neuen Parteichef Philipp Rösler versprach: "Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen." Sollte wohl heißen: Mit dem Außenminister und gewieftesten Machttaktiker seiner Generation muss die Partei weiterhin rechnen.
Auch die Wut darüber, als einzige Ursache aller Probleme der FDP herhalten zu müssen, brach sich immer wieder Bahn. In Aufforderungen gekleidet, klang die Kritik an den eigenen Parteifreunden so: "Wir müssen auch alle gemeinsam die Erfolge" gegen kritische Berichterstattung vertreten. "Manchmal muss die Partei auch vor einem stehen", statt zu versprechen, hinter ihm zu stehen.
Seltene Worte der Selbstkritik
Seine Partei, sollte das heißen, hat ihrem Frontmann in der Krise die Unterstützung versagt. Weil dies allein zu sehr nach Nachtreten geklungen hätte, fügte Westerwelle auch seltene Worte der Selbstkritik an: Die im Bundestagswahlkampf verfolgten Ziele, allen voran die Steuersenkung, seien richtig gewesen. Er werfe sich lediglich vor, "dass wir zu wenig von dem, was wir uns vorgenommen haben, durchgesetzt haben". Aber auf die Bilanz nach eineinhalb Jahren könne die FDP stolz sein.
Zuletzt gibt Westerwelle den Außenminister. Dabei ging sein Hang zum Pathos endgültig mit ihm durch. "Bürgerrechte zu verteidigen, ist eine heilige Aufgabe der FDP, zu allen Zeiten." Die Grünen täten dies nicht, im Gegenteil. Sie sagten den Leuten, was sie zu frühstücken und wohin sie in Urlaub zu fliegen hätten. Den "Freiheitskampf" in Nordafrika feierte Westerwelle - und damit auch sich selbst. Als er im Februar unangekündigt auf dem Kairoer Tahrirplatz erschien, erzählt der Außenminister, sei ihm "das Herz" aufgegangen. Menschen hätten skandiert: "Es lebe Deutschland! Es lebe Ägypten!" Als sagte dies allein nicht genug, fügte Westerwelle an: "Das galt nicht mir."
Zum Schluss variierte Westerwelle sein Machtwort, das er 2001 geprägt hatte, als er auf dem Düsseldorfer Bundesparteitag mit Jürgen Möllemann um die Vorherrschaft in der FDP rang. Damals rief ein machtbewusster Guido Westerwelle: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Sache regelt - und das bin ich." Am Freitag fügte er an: "Nicht mehr." Als ihm die Delegierten nach der Rede sieben Minuten lang stehend applaudierten, lächelte er immer noch sein eisernes Lächeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen