FDP-Fraktionschefin Katja Suding: „Die SPD-Mehrheit beenden“

Katja Suding, Fraktionschefin der FDP in der Bürgerschaft, über die nahende Hamburg-Wahl, den innerparteilichen Streit und eine Koalition mit der SPD.

Kann sich eine Koalition mit der SPD vorstellen: Katja Suding. Bild: dpa

taz: Frau Suding, seit dreieinhalb Jahren opponieren Sie und Ihre Fraktion gegen den absoluten Bürgermeister Olaf Scholz und dessen SPD. Wie groß ist der Frust?

Katja Suding: Natürlich ist das kein Traumjob, wenn man gegen einen solchen großen Block agieren muss. Die absolute Mehrheit einer Partei tut der Stadt nicht gut. Deshalb wollen wir sie bei der nächsten Wahl beenden. Als Opposition kann man aber durchaus einiges bewegen. Die SPD hat vielen unserer Vorschläge zugestimmt, etwa bei der Durchlässigkeit des Schulsystems, der Transparenz der Ergebnisse des Schul-TÜVs oder der Sicherung von Aufenthaltsrechten behinderter jugendlicher Flüchtlinge.

Die SPD ist also Argumenten zugänglich?

Guten Argumenten gegenüber ja. Aber viel zu selten.

Das zeigt sich aber nicht in der Haushaltspolitik?

Wir haben zwar zusammen mit der SPD und den Grünen die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben, das war‘s dann aber auch weitgehend mit den Gemeinsamkeiten. Wir stehen klar dafür, mit dem Geld auszukommen, das in der Kasse ist, statt künftige Generationen mit Schulden zu überhäufen. Bei der Konsolidierung des Haushalts lassen es die Sozialdemokraten deutlich an Ehrgeiz fehlen.

Sie wollen den Haushalt möglichst rasch ausgleichen und auf neue Kredite verzichten?

Ja, schon 2015 wäre das möglich. Die Erfahrung lehrt, dass Haushalte in guten Zeiten ruiniert werden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind jetzt gut, die Steuereinnahmen sprudeln, und die dürfen wir nicht für dauerhafte neue Ausgaben verwenden, sondern müssen sie zum Abbau der Schulden einsetzen.

Katja Suding 38, Politologin und PR-Managerin, seit 2011 Fraktionsvorsitzende der FDP in der Bürgerschaft. Suding lebt getrennt von ihrem Ehemann und ihren beiden Söhnen.

Aber das macht der SPD-Senat doch.

Aber viel zu langsam und halbherzig. Nur in der Richtung sind wir uns einig, konkret lässt der Scholz-Senat aber kaum Anstrengungen erkennen. Der Personalabbau kommt nicht voran, im Gegenteil. Und das unsinnige Busbeschleunigungsprogramm, in dem 260 Millionen Euro verbuddelt werden, ist vollständig überflüssig. Da ließe sich viel Geld sinnvoll sparen.

Vor zwei Jahren haben Sie gefordert, den städtischen Ökostromanbieter Hamburg Energie zu privatisieren. Sehen Sie das immer noch so?

Natürlich. Wir haben in Hamburg viele Ökostromanbieter, die Kunden können also auswählen. Der Staat sollte nicht mit einem subventionierten städtischen Unternehmen in diesen funktionierenden Wettbewerb eingreifen.

In Hamburg dominiert nach fast zehn Jahren CDU-geführter Regierungen (von 2001 bis 2011) wieder die SPD.

Wahl 2011: Die SPD erreichte mit 48,4 Prozent die absolute Mehrheit (62 von 121 Mandaten). Die Opposition: CDU 21,9 Prozent (28 Sitze), Grüne 11,2% (14), FDP 6,7% (9), Linke 6,4% (8).

Wahl 2015: Eine erneute absolute Mehrheit der SPD ist fraglich. Gefährdet ist der Wiedereinzug der FDP, offen der erstmalige Einzug der AfD.

Die FDP: Von 2004 bis 2011 war die FDP in Hamburg außerparlamentarisch. Mit der Spitzenkandidatin Katja Suding gelang 2011 der Wiedereinzug mit dem besten Ergebnis seit 1974.

Aber immer noch ist Vattenfall das dominierende Unternehmen auf dem Hamburger Energiemarkt.Wo ist denn da offener Wettbewerb?

Ich sprach vom Ökostrom-Markt, auf dem ein staatlicher Akteur mit privaten Anbietern konkurriert. Auf dem konventionellen Energiemarkt ist der Konsument seit langem frei zu entscheiden, wer ihn beliefern soll.

Und was sollte mit Hamburg Energie passieren?

Verkaufen. Wir brauchen dieses Unternehmen nicht.

Dann sind Sie vermutlich immer noch unglücklich über den Ausgang des Volksentscheides zur Rekommunalisierung der Energienetze?

Wir halten das weiterhin für falsch. Aber selbstverständlich respektieren wir die Entscheidung des Volkes. Jetzt begleiten wir im Parlament kritisch die Umsetzung durch den SPD-Senat. Beim Stromnetz ist das bereits geschehen, über Gas wird noch verhandelt. Bei der Fernwärme hat der Senat mit Vattenfall einen Vertrag geschlossen, den wir bedenklich finden.

Warum?

Dort wurde eine Übernahme vereinbart für 2019 zu einem Mindestkaufpreis von 950 Millionen Euro, von dem niemand sagen kann, ob der dann gerechtfertigt ist. Sollten dann Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass der Preis den Wert des Unternehmens überschreitet, darf die Stadt nach der Landeshaushaltsordnung gar nicht kaufen. Das wäre rechtswidrig. Da liegt eine Möglichkeit, den Volksentscheid nachträglich auszutricksen.

Da gibt es ausnahmsweise eine Übereinstimmung von Ihnen mit Grünen und Linken. Die teilen diese Skepsis.

Ja, die haben das zwar erst später gemerkt als wir, aber immerhin. Und diese beidenParteien, die ja inhaltlich mit den Volksentscheid voll übereinstimmen, sollten in dem Punkt dann doppelt wachsam sein. Die FDP wird als Bürgerrechtspartei darauf achten, dass der Volksentscheid vernünftig umgesetzt wird.

Sie und die FDP sind ja keine Freunde von staatlichen Unternehmen. Deshalb haben Sie den Kauf von Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd durch Hamburg abgelehnt. Sehen Sie Ihre Zweifel inzwischen bestätigt?

Absolut. Die Schifffahrtskrise dauert an, Hapag-Lloyd schreibt nach wie vor rote Zahlen. Das war vorhersehbar. Die Rendite von 35 Millionen Euro jährlich, die der Senat fest im Haushalt eingeplant hat, gibt es nicht. Stattdessen muss die Stadt hohe Zinsen auf die Kredite von etwa 1,2 Milliarden Euro zahlen, die für den Kauf aufgenommen wurden. Das ist ein großes Minus-Geschäft für die Stadt.

Wird es die versprochenen Renditen überhaupt geben?

Hoffentlich, aber so bald nicht. Der Senat versprach damals ein risikoloses und kurzfristiges Geschäft, daraus wurde jetzt ein hochriskantes und langwieriges. Wir hatten genau davor gewarnt und Recht behalten.

Ist das ein unglücklicher Einzelfall? Oder sehen Sie das als Beleg dafür, dass der Staat sich grundsätzlich aus der Wirtschaft heraushalten sollte?

Beides. Die Beteiligung war für den Hafenstandort Hamburg, für das Unternehmen und die Arbeitsplätze nicht existenziell. Und zweitens, wenn man es trotzdem macht, muss man in der Lage sein, die Konsequenzen zu überblicken, und sollte den Bürgern reinen Wein einschenken. Das ist nicht passiert.

Sie lehnen städtische Beteiligungen an Unternehmen grundsätzlich ab?

Grundsätzlich nicht. Aber man muss sehr genau hingucken. Wenn es um hoheitliche Aufgaben geht, kann eine städtische Beteiligung sinnvoll sein.

Was verstehen Sie unter hoheitlich?

Da geht es um öffentliche Vorsorge. Sozialer Wohnungsbau, Öffentlicher Nahverkehr, Wasserversorgung zum Beispiel.

Sie wollen also die Saga oder die Hochbahn nicht privatisieren?

Und die Wasserwerke auch nicht.

Aber deren Tochter Hamburg Energie?

Ja.

Und welches wären städtische Beteiligungen, die Sie aufgeben würden?

Unter den hunderten von ganz oder teilweise im Besitz der Stadt befindlichen Unternehmen gehören die verkauft, deren Aufgaben nicht von besonderer Bedeutung für die Hamburger sind und deren Dienstleistungen Private genauso gut anbieten – zum Beispiel das Busunternehmen Reisering: Im Bus unabhängig vom ÖPNV verreisen zu können, ist keine städtische Pflichtaufgabe.

Kommen wir zum Innenleben der Hamburger FDP: Sie und die Landesvorsitzende Sylvia Canel liegen im offenen Streit. Welche politisch-inhaltlichen Gründe gibt es dafür?

Es gab unterschiedliche Ansichten über die Zusammensetzung einer schlagkräftigen Mannschaft für die nächste Bürgerschaft. Diese Diskussionen haben wir geführt, der Landesparteitag hat entschieden. Jetzt haben wir ein gutes Team zusammen.

Es geht also schlicht um persönliche Abneigungen?

Nein, es geht um ein gutes Team und einen guten Teamgeist. Solche Auseinandersetzungen offen auszutragen und zu entscheiden gehört in einer demokratischen Partei dazu.

Der Streit wurde zu Ihren Gunsten entschieden, Sie sind die unangefochtene Spitzenkandidatin, Sylvia Canel kandidiert nicht. Alles wieder friedlich?

Ja, wir haben das ausgetragen, alles ist geklärt, jetzt geht es gemeinsam weiter.

Sie glauben wirklich, dass Frau Canel Katja-Suding-Plakate aufstellt?

Die Landesvorsitzende wird mit aller Kraft die Spitzenkandidatin und alle anderen FDP-Kandidaten für die Bürgerschaft unterstützen, das hat sie selbst erklärt.

Warum setzen Sie sich so vehement für Olympische Spiele in Hamburg ein?

Olympische Spiele hätten für Hamburg einen unglaublich hohen Nutzen. Infrastrukturprojekte würden schneller umgesetzt und es würde den Bekanntheitsgrad Hamburgs in der ganzen Welt erhöhen.

Olympische Spiele als PR-Maßnahme für Tourismus?

Auch, natürlich.

Die Linie des Senats ist: Das muss nachhaltig sein, sonst machen wir das nicht. Stimmen Sie da zu?

Ja. Wir müssen genau prüfen, was Olympische Spiele für die Entwicklung der Stadt bedeuten. Für die Stätten, die wir extra bauen, brauchen wir ein durchdachtes Konzept der Weiternutzung nach den Spielen. Es geht nicht, Großbauten zu errichten, die hinterher niemand braucht oder deren Unterhalt unbezahlbar ist, so wie bei den Winterspielen in Sotschi oder jetzt in Brasilien mit Fußball-Stadien, die nach der WM leer stehen werden. Das können und wollen wir in Hamburg nicht.

Angeblich gibt es bereits 30 von etwa drei Dutzend erforderlichen Sportstätten. Müssten nur noch ein paar große dazu kommen wie Olympiastadion und Schwimmhalle. Und ein Olympisches Dorf natürlich.

Ja, das ist schon eine ganze Menge. Und es gibt die Idee, dass Olympiastadion so zu errichten, dass man es hinterher als Zentrum für Hamburger Akteure des Sports nutzen kann. Diese Konzepte müssen jetzt ausgearbeitet werden. Hamburg kann und muss zeigen, dass ein nachhaltiges und sozialverträgliches Olympia ohne Gigantomanie möglich ist.

Und dann müssen es die BürgerInnen auch so sehen bei einem Volksentscheid im nächsten Mai?

Die HamburgerInnen müssen wissen, worauf sie sich einlassen, und sagen, ob sie das wollen. Anders geht es nicht.

Das alles haben wir im Zweifel noch vor uns. Bereits hinter uns haben wir die Bezirkswahlen vom 25. Mai mit einer Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent: Minusrekord. Hat sich das neue Wahlrecht bewährt oder sollte es geändert werden?

Der Hauptgrund für die niedrige Wahlbeteiligung ist, dass die Bezirkswahl von der Bürgerschaftswahl abgekoppelt und mit der Europawahl zusammengelegt wurde. Das war keine gute Entscheidung.

Wäre es sinnvoll, die Bezirkswahlen wieder an die Bürgerschaftswahlen zu koppeln, damit die Wahlbeteiligung wieder zunimmt? 2011 hatte sie noch bei 54,3 Prozent gelegen.

Darauf deutet Manches hin. Wir müssen aber auch zusammen mit „Mehr Demokratie“ noch genauer analysieren, welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollten. Schnellschüsse kommen nicht in Frage. Dieses Wahlrecht kam durch einen Volksentscheid zustande, da muss das Parlament sehr sensibel sein mit Änderungsvorschlägen.

„Mehr Demokratie“ möchte auch, dass Hamburg als Einheitsgemeinde aufgelöst wird und die sieben Bezirke zu eigenständigen Großstädten im Bundesland Hamburg werden. Was halten Sie davon?

Das löst kein einziges Problem und schafft nur neue. Besser wäre es, doppelte Verwaltungsebenen abzuschaffen und den Bezirken mehr Kompetenzen zu überlassen. Aber Hamburg als Stadt zu zerschlagen, ist unsinnig.

Bei der nächsten Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 kandidieren Sie zum zweiten Mal als Spitzenkandidatin. Liegt das Schicksal der FDP in Ihren Händen?

Als Spitzenkandidatin hat man sicher eine herausgehobene Rolle und Verantwortung. Aber Erfolg können wir nur in einem motivierten Team haben.

Setzen Sie darauf, dass Ihr Bekanntheitsgrad inzwischen deutlich höher ist als vor vier Jahren, als Sie erst acht Wochen vor der Wahl nominiert wurden? Gibt es eine reine Katja-Suding-Personality-Kampagne?

Ich bin jetzt deutlich bekannter, das wird helfen. Aber es geht nicht nur um meine Person. Themen werden dieses Mal deutlich mehr Gewicht im Wahlkampf haben: Schuldenbremse, Olympia, die Flüchtlingsproblematik, die falsche Verkehrspolitik und die Fehler in der Schulpolitik, um nur einige zu nennen. Diese und andere Themen werden eine deutlich größere Rolle spielen als 2011.

Möglicherweise verliert die SPD die absolute Mehrheit und braucht einen Koalitionspartner? Stünde die FDP für eine rot-gelbe Koalition bereit?

Für Gespräche über eine solche Koalition stünden wir bereit. Aber wir müssen die Wahl abwarten und dann schauen, was möglich ist. Und dann muss es auch inhaltlich passen, eine Koalition ohne klare liberale Handschrift würden wir nicht schließen.

Alternative wäre wahrscheinlich Rot-Grün – allein um das zu verhindern, müsste die FDP doch sehr kompromissbereit sein?

Rot-Grün wäre sehr schädlich für Hamburg. Aber die FDP gäbe es dennoch nicht zum Schnäppchenpreis.

Und mit CDU und Grünen in einer Jamaika-Koalition gegen die SPD?

Mir fehlt die Fantasie um zu erahnen, wo die tragfähigen Grundlagen für so ein Bündnis liegen könnten. Das sehe ich nicht.

Und bei Rot-Gelb würde Katja Suding Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für welches Ressort?

Über Posten machen wir uns am Ende von Koalitionsverhandlungen Gedanken. Bis dahin ist noch ein sehr weiter und steiniger Weg.

Und die Linken? Und, falls sie in die Bürgerschaft kommen sollte, die AfD?

Das sind beide keine Partner für uns.

Was machen Sie am 16. Februar 2015, am Morgen nach der Wahl?

Ich freue mich über ein sehr gutes Ergebnis der FDP und den Verlust der absoluten Mehrheit der SPD.

Und bereiten sich auf Koalitionsverhandlungen vor?

Hätte ich nichts gegen.

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