FDP-Bundesparteitag: „Liberalen ist es egal, wer wen liebt“
Die FDP will die Union in Sachen Gleichstellung von Homo- Paaren weiter bearbeiten. Nicht erst Karlsruhe soll die Rechtslage ändern. Aber es droht die grüne Versuchung.
BERLIN taz | Die FDP erhöht in Sachen Gleichstellung homosexueller Paare den Druck auf die Union. Mit großer Mehrheit verabschiedeten die rund 660 Delegierten am frühen Samstagabend einen Antrag in dem sie Parteispitze und Bundestagsfraktion dazu aufrufen, mit dem Koalitionspartner erneut in Gespräche zu treten. „Die FDP besteht weiterhin auf der Gleichstellung noch in dieser Wahlperiode“, heißt es darin.
„Die Union blockiert die zwei großen Baustellen Adoptionsrecht und steuerliche Gleichstellung. Die Frage, vor der wir stehen ist, ob das Parlament seinen Gestaltungsspielraum aufgibt. Wir als Liberale sind dafür, dass diese Regierung gemeinsam handelt“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch. Zugleich versprach er den Delegierten, dass das letzte Wort in der Koalition noch nicht gesprochen sei. „Ein apodiktischer Spruch des CDU-Präsidiums beendet nicht die Diskussion“, so Kauch.
Ähnlich optimistisch zeigte sich Wolfgang Kubicki, FDP-Chef in Schleswig-Holstein. Seine Partei werde standhaft bleiben, sagte er der taz am Rande des Parteitags. „Wir werden das Thema weiter in der Auseinandersetzung mit der Union forcieren.“ Die Union habe in den vergangenen zwei Jahren so viele Volten geschlagen, dass er sich gut vorstellen könne, „dass in wenigen Wochen CSU-Chef Seehofer den Banner der Gleichstellung in erster Reihe vor sich hertragen wird.“
Auch Parteichef Philipp Rösler griff die Union in Sachen Gleichstellung scharf an. „Ich würde mir wünschen, dass auch unsere Koalitionspartner die Kraft dazu haben, sich die Lebenswirklichkeiten im Land anzusehen“, sagte er in seiner Rede am Samstagmittag. „Sehr vehement“ unterscheide sich die FDP von CDU und CSU in Fragen der Familienpolitik. „Für uns Liberale ist es egal, wer wen liebt. Hauptsache man liebt überhaupt irgendjemanden.“ Die FDP trete daher für die gleichen Rechte und Pflichten ein und fordere das auch von der Union. „Und zwar nicht erst im Juni, sondern jetzt“.
Koalitionsdisziplin verliert Gewicht
Rösler spielte damit auf das für Juni erwartete Urteil zur steuerlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartner mit Ehepaaren an. Die Karlsruher Verfassungsrichter werden aller Voraussicht nach das Ehegattensplitting auch für eingetragene Partnerschaften fordern und die Politik damit erneut vor sich hertreiben.
In den vergangenen zwei Wochen blühte in der Union ein zartes Gleichstellungspflänzchen auf, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der so genannten Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner für verfassungswidrig erklärte. Nach heftigen Protesten vor allem aus der CSU zerstampfte Kanzlerin Merkel das Gewächs und kassierte den Vorschlag, dem höchsten deutschen Gericht mit einer eigenen Gesetzesinitiative zuvorzukommen.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Die FDP hat mehrfach aus Koalitionsräson gegen die steuerrechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gestimmt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die FDP-Fraktion ein weiteres Mal so abstimmt.“ Ob die Liberalen tatsächlich gegen die Koalitionsdisziplin verstoßen und bei der nächsten Abstimmung zur Gleichstellung im Bundestag gegen die Union votiert, kann sich bereits in der kommenden Woche zeigen. Dann berät der Bundestag einen Antrag der Grünen zur Gleichstellung homosexueller Paare beim Adoptionsrecht.
„Döring und die FDP können schon am diesen Donnerstag auf die Worte Taten folgen lassen, wenn wir die Gleichstellung beim Adoptionsrecht im Bundestag zur Abstimmung stellen“, sagte Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, der taz. Dafür müsste die FDP gar nicht gegen ihren Koalitionspartner stimmen. „Die Gleichstellung wäre auch durchgesetzt, wenn die FDP Abgeordneten der Abstimmung fern bleiben. Andernfalls braucht sich die FDP keinen Kirschblütenregen auf dem nächsten CSD zu erhoffen“, so Beck weiter. Dass die FDP die Union in der Frage der Gleichstellung allerdings tatsächlich umstimmen kann, ist derzeit unwahrscheinlich.
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