FC St. Pauli schlägt HSV im Derby: Feuerwerk und Freudentanz
Der FC St. Pauli gewinnt das Hamburger Derby mit 1:0 und darf sich weiter Stadtmeister nennen. Der HSV zeigt im Aufstiegskampf wieder einmal Nerven.
Wie blank die Nerven bei den Hamburgern liegen, bewiesen die letzten Minuten einer bis dahin hochklassigen Partie: Erst trat HSV-Kapitän Tim Leibold abseits bei unterbrochenem Spiel St. Paulis Stürmer Guido Burgstaller um. Aus Frust über die dafür fällige rote Karte schrie sich sein Teamkollege Simon Terrode dann minutenlang die Seele aus dem Leib – mit Worten, die hier besser nicht wiederholt werden.
Drei Minuten zuvor hatte der HSV den 0:1-Rückstand kassiert, drei Minuten später war klar: Zweite Niederlage in Folge– und Platz vier. Der HSV, von Finanzproblemen und dem Dauer-Streit in der Vereinsspitze gebeutelt, ist auf der Zielgerade zum Liga-Endspurt mal wieder raus aus den Aufstiegsrängen.
Ganz anders sieht die Welt des FC St. Pauli aus – für ihn spielte sich der Abend zwischen Feuerwerk und Freudentänzchen ab. Vor Beginn hatten einige Fangruppen auf dem angrenzenden Heiligengeistfeld eine farbenfrohe Choreographie aus den zum Jahreswechsel nicht verbrauchten Silvesterraketen gezaubert, weil so ein Derby ganz ohne Pyrotechnik einfach kein Derby ist.
Die Stimmung im vollbesetzten Millerntor ist nur zu erahnen
Am Ende tanzte die braungekleidete Spielertraube im Kreis und skandierte an Stelle der ausgesperrten fans „Derbysieger! Derbysieger!“. Wie die Stimmung in einem vollbesetzten Millerntor zu dieser Stunde ausgesehen hätte, man kann es nur erahnen.
Dazwischen lagen 97 Minuten harte Arbeit. Denn von der Feuerwerksdarbietung zeigte sich zunächst nur der HSV inspiriert, schon nach genau 60 Sekunden landete ein Freistoß-Kracher von Sonny Kittel an der Latte des St.Pauli-Tores. Und Keeper Dejan Stojanovic musste in den den folgenden Minuten einige Male explodieren um die HSV-Schreckschüsse zu entschärfen.
Doch dauerte das Fan-Feuerwerk vor der Partie nur wenige Minuten so verglomm das des HSV nach einem Viertelstündchen. Fortan übernahm der FC St.Pauli die Initiative und bestimmte das Spiel bis zum Ende. Mehrfach zündelte die Offensivabteilung des Stadtteilclubs um Rodrigo Zalazar und Daniel-Kofi Kyereh an der Lunte und der Abwehr des HSV gelang es nur mit Mühe den Brand im eigenen Strafraum zu löschen.
Das Team mit der Raute auf der Brust strahlte in einem intensiven, kämpferisch und taktisch hochklassigen Derbyfight nur noch zu bei gelegentlichen Kontern und Standards Gefahr aus. Doch trotz einiger Möglichkeiten auf beiden Seiten ging es mit 0:0 in die Pause.
Im zweiten Durchgang hatten beide Mannschaften ihr Pulver bereits weitgehend verschossen. Für Aufregung sorgten zunächst nur noch die Schiedsrichter: Zunächst pfiff Deniz Aytekin zehn Minuten nach Wiederbeginn Elfmeter für St. Pauli, nachdem der unsichere HSV-Keeper Sven Ulreich den Ball nicht hatte festhalten können und Gideon Jung den einschussbereiten Rodrigo Zalazar umgesenst hatte.
Schiedsrichter sorgen für Emotionen
Auf Intervention des Videoschiedsrichters nahm Aytekin den Strafstoß jedoch wieder zurück, da Jung bei seinem Tackling auch minimal den Ball gespielt hatte. Nach erneuten Zuruf aus dem Kölner Keller kassierte Aytekin auch das vermeintliche 1:0 für den HSV durch Terrode, der vor seinem Torschuss den Ball mit der Hand gestoppt hatte.
Je länger die Partie dauerte, desto mehr verkrampfte die Mannschaft des HSV, die unbedingt gewinnen mussten, um auf einem direkten Aufstiegsplatz zu bleiben. St. Pauli kontrollierte das Spiel, doch am Ende fehlten Kraft und Konzentration zu einem Torabschluss. Als alle Beteiligten sich bereits mit einem – für den HSV schmeichelhaften – Unentschieden abgefunden zu haben schienen, legte der eingewechselte Luca Zander drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit an der Strafraumgrenze den Ball mustergültig auf Kyereh ab, der die Kugel mit perfekter Schusstechnik zum 1:0-Siegtreffer in den Winkel traf.
Der FC St. Pauli verteidigte mit diesem erneuten Derbysieg – dem dritten in den vergangenen vier Partien gegen den HSV – die inoffizielle, aber für viele Fans deswegen nicht weniger wichtige Stadtmeisterschaft und bestätigte mit nun sieben Siegen in den vergangenen acht Spielen seinen steilen Aufwärtstrend.
Der HSV erinnert aber an die in den Nachthimmel aufsteigenden Raketen, die nach hohem Flug und bravourösem Farbenspiel verglommen und den Sturzflug nach unten antraten. Die nächsten beiden Partien muss der Tabellenvierte ausgerechnet gegen die beiden führenden Teams aus Kiel und Bochum bestreiten. Das Platz-4-Trauma könnte neue Nahrung erhalten.
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