Drei Ligateams in Quarantäne: Startschuss zum Schneckenrennen
Auch die zweite Liga geht in die entscheidende Phase. Es gibt aber mehr Störelemente als in Liga eins, in der alles noch reibungslos abläuft.
S ieht man sich noch einmal die aktuellen Umstände an – inkonsequenter Langzeitlockdown, steigende Fallzahlen –, dann erscheint es umso erstaunlicher, wie reibungslos der Spielbetrieb der Oberklasse, der 1. Fußball-Bundesliga der Männer, funktioniert. Hier und da wird einer positiv getestet, gerne sogar ein Spieler des Branchenprimus, aber in Quarantäne musste bisher noch kein Team. Isolation, Testen, das scheint insgesamt noch professioneller zu verlaufen, als man annehmen sollte.
Ein anderes Bild zeigt sich eine Klasse tiefer, in Liga 2. Ganze drei Teams wurden aufgrund aktueller Fälle in die Quarantäne geschickt: Nach dem SV Sandhausen und dem Karlsruher SC traf es jetzt auch den KSV Holstein Kiel. Das Dumme ist: Besonders den Kielern, aber auch den Sandhäusern stehen wichtige Spiele ins Haus: da der mögliche Aufstieg und sogar das Pokalhalbfinale, dort Abstiegskampf mit möglicher Relegation. Der Zweitliga-Spielplan wackelt stark; die Erinnerung an Dynamo Dresden in der letzten Saison ist noch recht frisch.
Stand jetzt werden zahlreiche Spiele nach hinten verschoben werden müssen; der Terminplan ist jetzt schon eng gestrickt. Für zwei Partien wurde der 14. April gefunden – die Partie von Kiel gegen Hannover muss jetzt ein zweites Mal verschoben werden. Bis zum 23. Mai muss alles gespielt sein, am Horizont dräut das vorgeschlagene „Quarantäne-Trainingslager“ der DFL.
Aber auch so hat sich in der 2. Liga ein Phänomen eingestellt, das man aus den letzten Jahren kennt: Die Aufstiegskandidaten liefern sich ein Schneckenrennen um den Aufstieg. Der HSV schafft es, einen 3:0-Vorsprung in Hannover innerhalb kürzester Zeit zu verspielen und mit einem Punkt wieder heimzufahren, nur um im nächsten Spiel gegen Angstgegner Darmstadt 98 die alten Zeiten aufleben zu lassen: mutlose Nachvorneverteidigung gegen einen tief stehenden Gegner, der seine zwei, drei Kontermöglichkeiten zum Auswärtssieg nutzt. 1:2 heißt es am Ende; und nur die eingangs erwähnte Quarantäne sicherte dem HSV den zweiten Tabellenplatz, da sowohl Fürth wie auch das coronageplagte Kiel am Wochenende pausieren mussten.
Für die Hamburger ist das ein Déjà-vu: Schon in den letzten beiden Spielzeiten wurde der Akku des ehemaligen Dauerdinos immer leerer; die entscheidenden Spiele wurden immer unglücklicher, dann auch unbeholfener vergeigt; man erinnert sich ungern an ein 1:2 in Heidenheim in letzter Minute, an das unrühmliche 1:5 gegen Sandhausen am letzten Spieltag oder das 2:3 gegen Darmstadt aus der Vorvorsaison nach 2:0-Führung. Es droht die vierte Zweitligasaison; die Stadionuhr kann sich allmählich auf Dauerverbleib in der Zweitklassigkeit einstellen.
Nicht hupen
Aber auch der Tabellenführer und Nochviellängerzweitligist aus Bochum zeigte am Samstag zum wiederholten Mal Nerven und blieb beim 0:3 in Paderborn erstaunlich schwach. Die Holsteiner aus Kiel indes schwächelten schon vor ihrer Coronapause; das Restprogramm wird für die Störche durch die dichte Taktung nicht leichter. Auf Fürth und den HSV fehlen ihnen jetzt schon vier Punkte.
Der VfL Bochum und die SpVgg Greuther Fürth haben so gesehen die besten Chancen auf den Aufstieg. Gerade die Fürther scheinen die stabilste Mannschaft zu haben, mit ihnen haben die wenigsten gerechnet, der Druck ist nicht halb so groß wie in Hamburg. Erschreckend ist das Schneckenrennen aber auch auf anderer Ebene: Das Niveau der 2. Liga scheint relativ unterirdisch, jeder kann jeden schlagen: gut für die Spannung, gut fürs Geschäft; nicht so gut, wenn es darum geht, wer sich in der nächsten Saison in der Bundesliga behaupten kann. Obwohl, wie man sieht, können sich Teams wie Bielefeld oder Köln sehr wohl behaupten. Aber nur nicht hupen, denn die 2. Liga träumt ja schon längst von Schalke 04.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins