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FC St. Pauli macht auf nachhaltigKlassenerhalt, Tilgung, Antifaschismus

Für den FC St. Pauli ist die laufende Saison nach dem 0:2 gegen 1860 München abgehakt. Auch in der kommenden soll sich der Verein behutsam weiterentwickeln.

Haben gut lachen: Thomas Meggle und Ewald Lienen sind nicht zum Aufstieg verdammt. Foto: dpa

Hamburg taz | Die 0:2-Niederlage gegen 1860 Müchen am Freitagabend war für die Verantwortlichen des FC St. Pauli schon nach dem Abpfiff egal. Die Saison, die dem Fast-Absteiger des Vorjahres bislang einen überraschenden vierten Tabellenplatz in der Zweiten Fußballbundesliga bescherte, ist abgehakt. Die nächste steht an.

Die Zukunft am Millerntor sollen vor allen anderen vier Männer gestalten, die alle noch recht neu sind am Millerntor. Der im November 2014 gewählte Präsident Oke Göttlich hatte in der sportlichen Krise einen Monat nach Amtsantritt Ewald Lienen zum Cheftrainer und Thomas Meggle zum sportlichen Leiter des Vereins gemacht. Vergangenen September stieß Andreas Rettig, bis dato Geschäftsführer der Deutschen Fußballliga, als kaufmännischer Geschäftsführer dazu.

Die vier haben sich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Zwar ist der FC. St. Pauli wirtschaftlich seit einigen Jahren gesund, doch spielt er finanziell immer noch nicht in der Spitzengruppe, sondern im oberen Mittelfeld der Liga mit. Statt nun mit neuen, teuren Spielern den Aufstieg erzwingen zu wollen, wie manche Fans es aufgrund der Transfererlöse fordern, steckt der Club Überschüsse in den Aufbau professioneller Strukturen. Das Nachwuchsleistungszentrums soll ebenso ausgebaut werden wie das eigene Scoutingsystem, vor allem in die skandinavischen und die Benelux-Länder hinein.

Zu den strukturellen Investitionen gehört auch die Anschaffung einer neuen Daten- und Informationstechnik für eine knapp siebenstellige Summe, die es erlaubt, Spielerdaten besser auszuwerten. Die U23-Mannschaft, die in der vierten Liga kickt und als Talentschmiede gilt, soll entgegen anderslauternder Meldungen nicht runtergespart oder gar vom Spielbetrieb abgemeldet werden, wie es derzeit bei immer mehr Bundes-und Zweitligisten aus Kostengründen geschieht.

Unter Nachhaltigkeit verbucht Andreas Rettig auch, dass der Verein am Ende der Saison erneut einen Gewinn verbuchen wird, der auch in die schnellere Rückzahlung von Verbindlichkeiten fließt. Rund 60 Millionen Euro haben das neue Stadion und die Trainingsanlage an der Kollaustraße gekostet, knapp die Hälfte davon ist schon abgezahlt. Auch der Kauf der Vermarkterfirma Upsolut, die St. Paulis Merchandising-Rechte besaß, muss erst einmal bezahlt werden, bringt aber auf Sicht wie die Stadionerweiterung neue finanzielle Spielräume.

Auch bei den sportlichen Zielen überwiegt die langfristige Perspektive: Zwar hat das Team aus ökonomischen Gründen „Abstiegsverbot“, aber weder der Aufstieg in die Erste Bundesliga noch ein bestimmter Tabellenplatz werden als Ziel ausgegeben – die Mannschaft soll sich einfach weiterentwickeln.

All diese Maßnahmen sollen auch dazu führen, die Professionalität zu stärken – oder, wie Präsident Göttlich es nennt, „den Erfolg zu umzingeln“. Längst lässt sich die sportliche Leitung nicht mehr von Spielerberatern Ihre neuen Profis andrehen, sondern entwirft für jeden einzelnen freien Platz im Kader exakte Anforderungsprofile, die dann mit Spielerdaten und den Eindrücken der Scouts abgeglichen werden.

Aus ökonomischen Gründen gilt Abstiegsverbot, aber weder der Aufstieg in die Erste Bundesliga noch ein bestimmter Tabellenplatz werden als Ziel ausgegeben

So verpflichtete Thomas Meggle für die neue Saison etwa den Norweger Vegar Eggen Hedenstad vom Erstliga-Aufsteiger Freiburg, weil er neben dem bulligen Marc Hornschuh gerne einen, wendigen, schnellen und offensiveren rechten Außenverteidiger im Kader haben wollte. Der aus Sandhausen verpflichtete Stürmer Aziz Bouhaddouz entspricht dem Prototyp des spielenden Mittelstürmers, der auch Tore vorbereitet und gut gemeinsam mit einem Stoßstürmer spielen kann.

Wichtig ist der Clubführung, die Werte zu betonen und zu leben, die dem Verein seine Identität gegeben und ihn auch als Marke stark gemacht haben: Politische, kulturelle und stadtteilbezogene Aktivitäten, ein entschiedener Antifaschismus und soziales Engagement.

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