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FC St. Pauli in der KriseKrise unterm Totenkopf

Nach einer gelungenen Saison kommen die Fußballer der FC St. Pauli in dieser Spielzeit nicht in die Spur. Nun verlor das Team auch in Braunschweig.

Stürzte den FC St. Pauli mit seinem Tor weiter in die Krise: Braunschweigs Immanuel Pherai (links) Foto: Swen Pförtner/dpa

Braunschweig taz | Der FC St. Pauli scheint sich mit seiner geschäftstüchtigen Tranferstrategie verkalkuliert zu haben: Schon im Sommer gab es Stimmen, die orakelten, dass sich die Fußballabteilung des FC St. Pauli nach den Abgängen von Leistungsträgern gerade im Angriff nicht adäquat verstärkt habe. Über zwei Millionen Euro standen nach der Transferperiode im Sommer als Guthaben auf dem Konto, nachdem unter anderem wie Daniel-Kofi Kyereh (nach Freiburg), Guido Burgstaller (Rapid Wien) und Finn Ole Becker (Hoffenheim) verkauft wurden.

Die sportliche Leitung, allen voran Sportchef Andreas Bornemann, verbreiteten allerdings Zuversicht. Und auch Trainer Timo Schultz schien zu glauben, dass sich die hervorragend gelaufene Saison im Jahr zuvor, die auf dem fünften Platz und nur drei Punkte hinter dem Relegationsrang endete, mit dem aktuellen Kader wiederholen ließe. Im Oktober 2022 ist klar: Das war eine Wunschvorstellung.

Nach ordentlichem Start in der 2. Bundesliga mit vier Punkten aus zwei Spielen folgten schnell die ersten Niederlagen gegen vermeintlich schwächere Konkurrenten wie Aufsteiger Kaiserslautern, Hansa Rostock oder Jahn Regensburg. Seit Mitte August (gegen Aufsteiger Magdeburg) gab es nicht einen einzigen Sieg. Viele Unentschieden retten die „Boys in Brown“ vor dem Totalabsturz.

Trotzdem merkte Präsident Oke Göttlich vor wenigen Wochen öffentlich an, dass die momentane Leistung zu wenig sei für das, was der Verein zur Verfügung stelle. Coach Schultz antwortete umgehend, verwies auf die Tatsache, dass die meisten neuen Spieler von der Bank anderer Vereine verpflichtet wurden und noch nicht im Rhythmus seien. Zudem besitze St. Pauli den jüngsten Kader der Liga.

Unsicherheit und Unvermögen

Diese Fakten führten vor dem elften Spieltag in Braunschweig zu folgendem Bild: Die Hamburger belegen den elften Tabellenplatz, der Aufsteiger aus Braunschweig bekleidet den 16. Platz. Beide Teams trennen nur zwei Punkte. Und so sieht die Partie in der ersten Hälfte auch aus. Kaum eine Ballstafette gelingt, Pässe auf die Außen landen auf beiden Seiten umgehend im Aus.

St. Pauli ist die Unsicherheit anzumerken, auch wenn mit Jackson Irvine einer der Schlüsselspieler wieder auf dem Platz steht. Dort bleibt er allerdings nicht lange: Nach einem Zusammenprall mit Filip Benkovic (Spitzname: Betonkovic) muss der Australier bereits in der neunten Minute mit einer Platzwunde vom Feld. Neben ihm trottet auch David Nemeth mit einer Verletzung nach draußen. Das trägt nicht zur Verbesserung des Spiels bei, Torraumszenen sind Mangelware, auch wenn die Hamburger leichtes Übergewicht haben.

Symptomatisch ist eine Szene in der 34. Minute, in der der Ball eine gefühlte Minute lang kreuz und quer durch den 16-Meter-Raum der Paulianer fliegt, ohne dass Verteidiger oder Angreifer in der Lage wären, die Kugel einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. „Ist doch ein ganz nettes Drittligaspiel“, kommentiert der Sitznachbar auf der Tribüne.

Die zweite Hälfte beginnt mit einem Paukenschlag, Braunschweigs Stürmer Anthony Ujah läuft alleine auf Keeper Nikola Vasilj zu, trifft aber nur den Pfosten. Eine Schrecksekunde ohne nachhaltige Wirkung. Als sich alle wieder mit dem Unentschieden gemütlich gemacht haben, holt St.-Pauli-Verteidiger Manolis Saliakas in der 68. Minute die Brechstange raus und zimmert den Ball per Fernschuss in den Winkel. Ein Tor aus dem Nichts, das den Hamburgern eigentlich Sicherheit geben soll.

Werden klare Worte ausreichen?

Das Gegenteil tritt ein, der Aufsteiger bäumt sich auf und wechselt mit dem in der Woche zuvor grippekranken Immanuel Pherai die Wende ein. In der 77. Minute fällt der Ausgleich durch den Niederländer, FC-Trainer Schultz versucht seine Truppe mit wild rudernden Armen zur Ordnung zu rufen. Es nützt nichts, in der Nachspielzeit hämmert Immanuël Pherai den Ball zum etwas glücklichen Heimsieg unter die Latte. Damit rutscht St. Pauli vorerst auf den 13. Platz ab, während die Eintracht aus Braunschweig auf Platz 11 steht.

Der FC St. Pauli wartet nun seit sieben Spielen auf einen Sieg, auswärts gab es in dieser Saison noch gar keinen Dreier. Auf der Pressekonferenz zum Spiel in Braunschweig spricht Schultz von mangelndem Zweikampfverhalten seiner Mannschaft, von Unkonzentriertheit in der Vorwärtsbewegung, schlecht ausgespielten Kontern – von denen allerdings nicht viele zu sehen waren – und kündigt klare Worte im Gespräch mit der Mannschaft in den kommenden Tagen an.

Gleichzeitig lobt er den Einsatzwillen seines Kaders. Dass der nicht ausreicht, um Spiele zu gewinnen, ist Schultz und seinem Trainerteam klar. Schnelle Abhilfe scheint es nicht zu geben, viel mehr als die üblichen Floskeln bleibt nicht. Von der Geschäftsleitung Sport in Person von Andreas Bornemann ist in diesen Wochen hingegen auffallend wenig zu hören. Will er nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen? Oder plant er bereits umfassende Veränderungen?

So oder so sind es keine guten Voraussetzungen für das anstehende Stadtderby gegen den Hamburger SV am Freitag, das vielleicht die letzte Chance bietet, die Stimmung am Millerntor bis zum Ende der Hinrunde zu verbessern.

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