Extra-Eiweiß in der Nahrung: Mit Quark zu Muskeln
Ein Plus an Eiweiß kann beim Abnehmen und Muskelaufbau helfen. Notwendig sind mit Proteinen angereicherte Lebensmittel nicht.
Brote sowie Riegel werden etwa mit Sojaschrot, Weizeneiweiß oder verschiedenen Samen versetzt. In Proteinshakes findet man vor allem Molkepulver. Die Hersteller sprechen damit die breite Masse an. Denn: Proteinreiches soll eine Art Wunderwaffe sein beim Muskelauf- und beim Speckabbau, ideal zum allseits beliebten „Bodyshaping“. Darüber hinaus verbessere ein Plus an Proteinen allgemein die Gesundheit und verlängere das Leben, so die mittlerweile bei vielen Laien verbreitete Meinung. Doch was ist von diesem Trend zu halten?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten mindestens 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich auf dem Speiseplan stehen, das sind 56 Gramm bei einem 70-Kilo-Mann und entspricht etwa 15 Prozent der täglichen Energieaufnahme. Denn der Körper braucht Eiweiß als Bausubstanz für Zellen, Hormone oder Enzyme. Diese Menge reicht laut DGE allerdings auch für den Muskelaufbau eines Hobbysportlers, er braucht keine Extraproteine. Nur Kraftsportler sollten 1,2 g/kg Körpergewicht aufnehmen und Ausdauersportler 1,6 g/kg Körpergewicht. Für gezielten Muskelaufbau sollten kurz nach dem Training 20 Gramm Eiweiß verzehrt werden, das steckt etwa in 200 Gramm Quark. Wer seine gewünschte Muskelmasse erreicht hat, kann dann allerdings diese höheren Proteinrationen absetzen.
Tatsächlich verzehren die Deutschen mit 1,5 g/kg Körpergewicht und 20 Prozent der täglichen Energieaufnahme weit mehr, vor allem Fleisch, Eier, Milch und Käse als empfohlen. Laut der Verbraucherzentrale Hessen ist damit selbst für Kraft- sowie Ausdauersportler im Leistungsbereich ein Plus an eiweißangereicherter Nahrung schlichtweg unnötig. Der Körper scheidet ein Zuviel auch einfach aus. In den USA, von wo der Proteinhype zu uns herüber schwappte, erreichen dagegen mehr als 40 Prozent der Menschen die empfohlenen Eiweißmengen nicht.
Veganer bekommen wertvolles Eiweiß durch eine gute Mischung verschiedener Lebensmittel wie Getreide und Hülsenfrüchte. Und auch Nüsse enthalten hohe Mengen an Eiweiß. Die Pflanzenproteine stehen in Sachen Muskelaufbau auch den tierischen Proteinen in nichts nach, wenn sie in ausreichend hohen Mengen gegessen werden. Nicht vergessen darf man: „Ohne trainieren wird nichts passieren.“
Abnehmen durch Eiweißdiäten
Vorteile hat ein Eiweißanteil von mehr als 20 Prozent der Energiemenge für Abnehmwillige, in Studien verloren Probanden bei Eiweißdiäten mehr Pfunde als bei proteinarmen Diäten. Denn Eiweiße haben einerseits eine sättigende Wirkung vermittelt über verschiedene, regulatorische Hormonsysteme. Andererseits entstehen beim Abbau von Proteinen mehr Wärme als bei anderen Nährstoffen (im Fachjargon: nahrungsinduzierte Thermogenese).
Es verpuffen also mehr Kalorien wenn Proteine verstoffwechselt werden als dies bei Fetten und Kohlenhydraten der Fall ist. Darum ist eine proteinreiche Diät für viele Übergewichtige schlichtweg besser durchzuhalten.
Jedoch: Eine Gewichtsabnahme setzt immer eine negative Energiebilanz voraus. Ein handelsübliches Proteinbrot hat oft mehr Kalorien als ein normales Roggenbrot. Auch Riegel werden gerne mal „on the top“ verzehrt. Zum Abnehmen kann man jedoch auf ganz normale eiweißreiche Lebensmittel wie Quark oder Tofu zurückgreifen. Zudem verschwinden die Vorteile einer proteinreichen Ernährung langfristig. Und nur wer es schafft, seine Ernährung umzustellen, wird sein Gewicht auf Dauer halten können.
In Sachen Diabetes ist die Studienlage kontrovers weil Diabetespatienten zwar von einer Gewichtsreduktion profitieren, jedoch immer wieder Bedenken geäußert wurden, das viele Eiweiß könne die Nieren schädigen. Eine aktuelle Bewertung der Studienlage durch die europäischen Diabetes Nutrition Study Group legt nun nahe, dass nur Patienten mit bereits vorhandenen Nierenproblemen nicht mehr als 15 Prozent Eiweiß essen sollten.
Andere frühere Studien hatten teils herausgefunden, dass sich die Insulinwirkung bei extrem hohem Proteinanteil der Nahrung verschlechtern kann, was wiederum einen Diabetes verschlechtert.
Doch was passiert, wenn man sein Leben lang einer eiweißreichen Ernährung zuspricht, also nicht nur zum Muskelaufbau oder im Rahmen einer Frühjahrsdiät? Dazu gibt es bislang wenige Fakten. Zwar haben Tiermodelle wiederholt gezeigt, dass eiweißreiche Kost das Leben verkürzt. Und auch eine Auswertung der US-Studie NHANES III im Jahr 2014 offenbarte, dass bei mehr als 20 Prozent Eiweiß der täglichen Kalorienaufnahme das Krebsrisiko und ebenso die Sterblichkeitsrate erhöht sei.
Allerdings müssen diese Ergebnisse erst in Interventionsstudien, die eine echte Ursache-Wirkungsbeziehung offenlegen, untermauert werden. Denn ein hoher Eiweißkonsum ist meist auch sehr fleischlastig, Und dies ist ein Risikofaktor etwa für Darmkrebs sowie Diabetes. Zudem könnte sich auch die Herzgesundheit verschlechtern und ein früher Tod drohen, wie eine aktuelle Metastudie der Cornell University belegt.
Umgekehrt zeigten Studien, dass viel pflanzliches Protein, das sich durch eine andere Zusammensetzung der Aminosäuren von tierischem Eiweiß unterscheidet, eher günstige Effekte auf die Gesundheit hat. Pflanzen wie Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide und Nüsse enthalten jedoch auch immer Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe wie Phenole, die ihrerseits das Krankheitsrisiko mindern. Möglicherweise entscheidet also nicht unbedingt der Eiweißgehalt über Wohl und Wehe sondern andere Substanzen in den Lebensmitteln. Zudem pflegen Menschen mit pflanzenbetontem Speiseplan auch zumeist einen gesünderen Lebensstil.
Menschen über 65 Jahren sollten dagegen durchaus auf ein Plus an Eiweiß achten und das kann ruhig auch vom Tier kommen, hier sind sich Experten einig. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sich Muskeln abbauen und die Senioren gebrechlich werden, was das Sterberisiko dramatisch erhöht. Laut der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) sollte Protein in einer Menge zwischen 1 und 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden, bei bereits bestehender Sarkopenie (Muskelschwund) sogar 1,4 Gramm.
Doch auch hierfür braucht es keine Spezialprodukte. Die sind übrigens nicht nur überteuert, wie Verbraucherorganisationen immer wieder aufdecken, sondern vielfach auch noch mit allerhand Zusatzstoffen sowie unnötigen Mengen an Vitaminen sowie Mineralstoffen überfrachtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“