Exporte um 20 Prozent gesunken: Umsatzminus wie nie zuvor
Nach einer kurzen Aufholphase sind die deutschen Exporte im August schon wieder gesunken. Banker können sich das Minus "nicht rational erklären."
BERLIN taz | Nein, die Weltwirtschaft allein wird es nicht richten. Das Ausland wird so schnell nicht wieder so viel in Deutschland einkaufen, dass die hiesige Industrie automatisch wieder anspringt und die Bundesregierung die Hände in den Schoß legen kann. Das zeigen die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts: Im August haben die deutschen Unternehmen 1,8 Prozent weniger Waren im Ausland abgesetzt als im Juli.
Damit ist nicht nur der kurze Erholungstrend schon wieder gestoppt - im Mai, Juni und Juli waren die Exporte dreimal in Folge gestiegen. Der Vorjahrsvergleich zeigt auch, wie tief die Rezession durchgeschlagen hat: Mit Waren für 60,4 Milliarden Euro verkauften die Firmen im August 2009 20 Prozent weniger ins Ausland als im gleichen Monat 2008. Nimmt man die ersten acht Monate zusammen, setzten sie sogar 22,3 Prozent weniger ab als im gleichen Zeitraum 2008.
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen erwartet nun, dass die Umsätze 2009 insgesamt um rund 18 Prozent zurückgehen. Auch dazu müsste der Export schnell wieder besser laufen. Trotzdem wäre es das erste Minus seit 1993 - und das größte seit Bestehen der Bundesrepublik.
Die Analysten der Banken wiegeln ab. "Insgesamt deutet der Trend weiter nach oben", sagte Ralph Solveen von der Commerzbank. Sein Kollege Andreas Scheuerle von der Deka-Bank meinte, das Minus komme "etwas unvermittelt" und sei "rational nicht zu erklären".
Die Außenhandelsexperten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) finden das jedoch nicht: "Die Exportwirtschaft wird durch die Finanzkrise nachhaltiger in Mitleidenschaft gezogen, als es ökonomische Standardmodelle suggerieren", heißt es in ihrer Studie "Back to Normal? Zur Zukunft der globalen Produktionsnetzwerke". Denn diese berücksichtigten nicht, wie stark die Globalisierung fortgeschritten sei.
Viele der Exportfirmen verkaufen ihre Endprodukte ins Ausland, sind aber zu deren Herstellung auf Vor- und Zwischenprodukte angewiesen, die sie wiederum importieren müssen. Die Finanzkrise und die knauserige Kreditvergabe der Banken haben nun an den unterschiedlichsten Stellen Löcher in das System gerissen, die sich nicht so leicht wieder flicken lassen.
Vor allem wenn ein Unternehmen - ob Hersteller von Zwischenprodukten oder Endproduktexporteur - erst einmal aus diesen Netzwerken ausgeschieden ist: "Exporte verursachen hohe Anlaufkosten - für Marktforschung, das Einrichten ausländischer Vertriebsnetze oder die Bezahlung von auf das Recht des jeweiligen Importlands spezialisierten Anwälten", so die IfW-Experten. Da falle der Wiedereinstieg schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Lektionen der Woche
Deutschland ist derweil komplett im Wahn