Explosionsgefahr in der Deutschen Bucht: Rauchschwaden vor Helgoland
In der Deutschen Bucht brennt das Containerschiff „Purple Beach“ und droht in die Luft zu fliegen. Eine Entwarnung konnte noch nicht gegeben werden.
Was im Laderaum des 192 Meter langen Frachters passiert ist, ist auch drei Tage nach dem ersten Alarm am Montagabend noch ungewiss. Klar ist lediglich, dass giftige Dämpfe entstehen und es heiß ist. Die 22-köpfige Crew und ein Brandbekämpfungsteam waren bereits am Dienstagabend vom Schiff zu Untersuchungen in Krankenhäuser geflogen worden. Schwer verletzt wurde niemand.
Das Havariekommando schickte am Mittwoch wegen der Rauch- und Gaskonzentration niemanden mehr an Bord. „Wir werden in dieser Situation keine Einsatzkraft gefährden“, sagte der Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees. Chemische Reaktionen oder Explosionen seien weiterhin nicht auszuschließen.
Die zwei Mehrzweck-Rettungsschiffe „Neuwerk“ und „Mellum“, die Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede“, „Vogelsand“ und „Nordergründe“ sowie der Hochsee-Notschlepper „Nordic“ waren am Mittwoch am Einsatzort zusammengezogen worden.
Das Havariekommando ist 2003 gegründet worden - als Konsequenz aus dem chaotischen Krisenmanagement nach der Havarie der "Pallas" vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste 1998. Der Frachter verlor damals vor Amrum etwa 244 Tonnen Öl, das ins Meer und in ein Vogelschutzgebiet gelangte.
Die gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenbundesländer koordiniert von Cuxhaven aus alle maritimen Befehlsstrukturen für Nord- und Ostsee.
Bei schweren Schadenslagen auf See wird ein Havariestab gebildet, der alle Einsatzkräfte koordiniert. Eingesetzt werden Radar- und Luftüberwachung, Lotseneinsatz, Küstenwache, Feuerwehren und Notschlepper. Für den Fall einer Ölpest gibt es Spezialschiffe.
Die „Nordic“ und die „Neuwerk“ haben sich am Nachmittag bis auf 100 Meter der „Purple Beach“ genähert und damit begonnen, unter massivem Wassereinsatz aus Löschkanonen die riesige Rauchwolke einzudämmen und den Frachter zu kühlen. Beide Schiffe verfügen über Gasschutzsysteme mit Schutzluftfilteranlagen. Diese eigenständige Luftversorgung ermöglicht es den Crews, in giftigen Wolken zu arbeiten.
Ziel des Rettungseinsatzes ist, die Schiffshaut zu kühlen, um weitere Reaktionen des Düngemittel zu verhindern, sagte Havariekommando-Sprecher Michael Friedrich der taz. „Die Temperaturen runterzubekommen, ist jetzt das Wichtigste, um einen Einsatz auf dem Schiff zu ermöglichen.“ Wann das der Fall sein wird, konnte er nicht sagen.
Das Drama hatte am späten Montagabend begonnen: Auf der Fahrt von Brake nach Bremerhaven war aus dem Laderaum des Containerschiffes der Hamburger Reederei Maritime Carrier Shipping, das unter der Flagge der Marshallinseln fährt, Rauch gemeldet worden. Dort gelagertes Düngemittel Ammoniumnitrat, ein Salz, was auch zur Herstellung von Sprengstoff verwendet wird, hatte sich offenbar selbst entzündet. Die Besatzung versuchte, den Brand durch das Fluten der Luke mit bordeigenem Kohlendioxid zu ersticken und anschließend den Laderaum zu versiegeln.
Das Havariekommando übernahm noch Montagnacht die Einsatzleitung und schickte zunächst ein Flugzeug der Analytischen Task Force, einer Spezialeinheit der Feuerwehren, zur Lagebeurteilung von Schiffsunfällen mit chemischen, biologischen und radiologischen Gefahrenstoffen. Bei einem weiteren Flug am Dienstag wurde festgestellt, dass sich die Außenwand der „Purple Beach“ am Brandherd auf zu 45 Grad erhitzt hatte. Der Einsatz der Brandbekämpfungsteams der „Mellum“ und der „Neuwerk“ musste dann auch wegen der Rauch- und Gasentwicklung an Deck abgebrochen werden.
Am Dienstagabend erreichte eine Düngemittel-Geruchswolke auch das ostfriesische Festland. Für mehrere Landkreise und die Städte Cuxhaven, Wilhelmshaven und Bremerhaven gab das Havariekommando eine Gefahrenmitteilung heraus, Fenster und Türen sollten geschlossen werden. Unmittelbare Gesundheitsgefahr bestand aber nicht.
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