Explosion am Hafen von Beirut: Hochgefährliche Chemikalie
Ammoniumnitrat dient weltweit vor allem als Grundstoff für Dünger. In der Vergangenheit kam die Chemikalie auch bei Anschlägen zum Einsatz.
Ammoniumnitrat wird weltweit vor allem als Grundstoff für Dünger verwendet. Die Verbindung von Ammoniak und Salpetersäure kennt jede:r Gärtner:in unter der Bezeichnung „Blaukorn“. Im Ökolandbau ist sie allerdings wegen Umweltschädlichkeit verboten. Es ist ein farbloser kristalliner Stoff, der in kleinen Mengen ungefährlich ist. Wenn Ammoniumnitrat aber wie in Beirut in Säcken übereinandergestapelt wird, kann es sich erhitzen und entzünden. Aus diesem Grund fällt in Deutschland die Verwendung der Chemikalie unter das Sprengstoffgesetz. Gelagert werden darf es bei uns nur, wenn es mit anderen Stoffen wie Kalk vermischt wird, so dass die Explosionsgefahr gebannt ist.
Ammoniumnitrat kann aber auch die Basis für Sprengstoff sein. Mischungen aus Ammoniumnitrat und Heizöl werden im Bergbau eingesetzt. Dieses einfache Prinzip haben sich auch mehrfach terroristische Täter zunutze gemacht: Wenn das Düngemittel mit Heizöl oder Dieseltreibstoff vermischt wird, also mit zwei problemlos erhältlichen Grundstoffen, entsteht ein gefährlicher Bombenstoff.
Mehrere schwere Unglücke auf Frachtschiffen
Der rechtsradikale Attentäter Timothy McVeigh packte 1995 2,2 Tonnen dieser Mischung in einen gemieteten Kleinlaster und stellte das Fahrzeug vor dem Alfred Murrah Federal Building in Oklahoma City ab, einem Bürogebäude mit Bundesbehörden als Mieter. Aus Hass auf den Staat zündete er die Autobombe und tötete 168 Menschen. Es war der schwerste inländische Terroranschlag in den USA bis zum 11. September 2001. Timothy McVeigh wurde später für das Attentat zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Auch der norwegische Rechtsradikale Anders Behring Breivik nutzte Ammoniumnitat als Sprengstoff bei seinem Anschlag vom 22. Juli 2011 auf das Bürogebäude des norwegischen Ministerpräsidenten in Oslo. Danach tötete er 77 Jugendliche auf der Insel Utøya. 1996 zerstörte ein Anschlag der IRA in Manchester Teile der Innenstadt. Tote gab es wegen einer Vorabwarnung der IRA keine.
Sehr viel mehr Opfer forderte Ammoniumnitrat aber in seiner Form als Düngemittel bei mehreren schweren Unglücken, immer wieder auch mit Frachtschiffen. Zwei Schiffe explodierten 1947 im Hafen von Texas City, über 500 Personen starben. 2004 explodierte ein Güterzug in Nordkorea, was 160 Menschen das Leben kostete. 2015 gingen in der chinesischen Stadt Tianjin 800 Tonnen Ammoniumnitrat in die Luft und rissen einen 100 Meter breiten Krater. Hunderte Menschen wurden getötet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren