Expertenkommission für Familiensplitting: Merkel entdeckt das gute Leben
Lebensqualität ist mehr als materieller Wohlstand. Das erkennt auch eine Expertenkommission von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
BERLIN taz | Wie wollen wir zusammen leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Große Fragen, die beim sogenannten Zukunftsdialog von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestellt werden. Er beschäftigte sich mit dem künftigen Zusammenleben und Arbeiten in Deutschland.
Dazu konnte zum einen über eine Internet-Plattform diskutiert werden, zum anderen lud die Kanzlerin Bürger zu Diskussionsveranstaltungen in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld. Außerdem beschäftigten sich rund 130 Experten mit Fragen des demografischen Wandels und der Globalisierung der Wirtschaft.
Merkel hatte am Wochenende bereits ein positives Fazit gezogen. Die Beteiligung sei beachtlich gewesen. Sie habe gemerkt, „dass es den Menschen sehr, sehr am Herzen liegt, dass es gerecht zugeht in unserem Land“. Sie habe zudem festgestellt, sagte Merkel am Dienstag, dass Zeit das knappste Gut im 21. Jahrhundert sei. „Wir leben zwar alle länger, aber irgendwann wird es eng.“
Um Familien zu stärken, schlägt Merkels Expertenkommission die Einführung eines Familiensplittings vor. Künftig solle das Familieneinkommen bei der Berechnung der Einkommensteuer durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt werden, heißt es in dem Abschlussbericht, den die Kommission am Dienstag der Bundeskanzlerin übergab.
Mehr Kinder, weniger Steuern
Kinderreiche Familien würden damit besser gestellt als kinderlose Paare. Damit das Ganze für den Staat nicht so teuer wird, könnte der Splitting-Divisor pro Familienmitglied kleiner sein als 1, zum Beispiel 0,8, so der Vorschlag. Gleichzeitig könne der Divisor für jedes weitere Kind ansteigen. Damit soll es für Eltern attraktiver werden, größere Familien zu gründen.
In der Union wird das Familiensplitting als Alternative zum Ehegattensplitting, das auch kinderlose Ehepaare steuerlich bevorzugt, derzeit diskutiert. In der Opposition wird es skeptisch gesehen, weil wohlhabende Familien bei diesem Modell gegenüber ärmeren Familien profitieren.
Zu den weiteren Vorschlägen der Experten gehören unter anderem die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene sowie eine verbesserte Prävention im Gesundheitsbereich. Zudem fordern die Experten die Kürzung umweltschädlicher Subventionen wie die Energiesteuerbefreiung von Kerosin für Flugzeuge um 10 Prozent jährlich.
Die Experten schlagen die Einsetzung eines Rates für Wohlstand und Lebensqualität vor, eine Expertenminderheit fordert dagegen die Gründung eines Bundesinstituts für Fortschritt (siehe Interview rechts). Eine dieser Institutionen soll den Stand der Lebensqualität in Deutschland erfassen.
Lebensqualität sollte multidimensional definiert werden und über das Materielle hinausweisen. Erfasst werden sollen Wohnen, Einkommen, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Umwelt, politische Teilhabe, öffentliche Sicherheit, gesellschaftlicher Zusammenhalt und das subjektives Wohlbefinden.
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