Experten geißeln BKA-Gesetzesentwurf: Nicht verfassungsgemäß

Mit dem neuen Gesetz für Präventivmaßnahmen des Bundeskriminalamts werden Privat- und Intimsphäre verletzt, sagen Sachverständige.

Ich seh dich! - Das BKA soll präventiv bespitzeln dürfen, schlägt ein neues Gesetz vor. Bild: rtr

BERLIN taz Experten kritisieren das neue Bundeskriminalamtsgesetz in Teilen als verfassungswidrig. Das geht aus den schriftlichen Stellungsnahmen mehrerer Sachverständiger hervor, die für Montag in den Bundestags-Innenausschuss geladenen sind. Einige von ihnen sehen den Schutz der Privat- und Intimsphäre nicht genügend berücksichtigt, andere bezweifeln, dass Online-Durchsuchungen verhältnismäßig und Rasterfahndungen effektiv genug seien.

Der ehemalige BND-Chef Hansjörg Geiger sieht den verfassungsrechtlich vorgegebenen Kernbereichschutz bedroht. Dem aktuellen Gesetzesentwurf nach dürften Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) Computer zwar nicht heimlich ausspähen, wenn sie dabei erwartungsgemäß nur auf private Informationen stoßen würden. Doch auf einem Computer gespeicherte Daten seien in der Regel "durch eine Gemengelage unterschiedlicher Inhalte geprägt", schreibt Geiger. Insofern laufe diese Schutzvorschrift ins Leere. "Diese Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, quasi sehenden Auges, ist mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar und ist nicht verfassungsgemäß", folgert Geiger.

Mit dem neuen Gesetz soll das Bundeskriminalamt erstmals in seiner Geschichte Verbrechen nicht nur aufklären, sondern präventiv einschreiten - auch mit akustischer und visueller Überwachung von Wohnungen, mit Rasterfahndung oder heimlicher Online-Durchsuchung. Eine solche Erweiterung der BKA-Befugnisse sei vor dem Hintergrund der hohen Terrorgefahr in Deutschland notwendig, argumentieren Befürworter.

Und auch sie bekommen im Innenausschuss Unterstützung der Experten: Der Jurist Dirk Heckmann, der die Landesregierung Nordrhein-Westfalens im Verfassungsstreit um verdeckte Online-Durchsuchungen vertrat, schreibt in seiner Stellungnahme: "Die geforderten hohen Eingriffsschwellen wurden gesetzt", daher sei das Gesetz verfassungskonform. Auch der Polizeirechtler Christoph Gusy sieht "keine grundsätzliche Verschiebung des Koordinatensystems von Freiheit und Sicherheit zu Lasten der Freiheit." Die neuen Befugnisse des BKA gingen nicht über das hinaus, was den Sicherheitsbehörden nach Landesrecht und Bundesgesetzen ohnehin bereits erlaubt sei. Allerdings kritisiert Gusy den mangelnden Schutz bestimmter Berufsgruppen vor staatlicher Ausspähung - vor allem der Schutz der Presse befände sich "auf niedrigem Niveau."

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) protestiert bereits gegen das BKA-Gesetz in seiner jetzigen Form. Nach einem Absatz im Paragraphen 20 des Gesetzesentwurfs kann das BKA die Herausgabe von Recherchematerial verlangen und dies mit Zwangsgeld, Redaktionsdurchsuchung und Beugehaft durchsetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.