Experte über rechten Terror: „Solidarität wäre sehr wichtig“
Brandeilig.org dokumentiert Angriffe auf Moscheen. Die Betroffenen würden im Stich gelassen, sagt der Leiter des Projekts, Yusuf Sari.
taz: Herr Sari vergangene Woche wurde bekannt, dass rechtsextreme Terroristen offenbar Anschläge auf Moscheen im ganzen Land planten. Am Donnerstag tötete mutmaßlich ein rechtsextremer Attentäter insgesamt neun Gäste von zwei Shisha-Cafés in Hanau. Hätten Sie Anschläge solchen Ausmaßes in Deutschland für möglich gehalten?
Yusuf Sari: Eine Eskalation der Angriffe auf Moscheen und auf Muslime war angesichts der zunehmenden Anzahl der Angriffe in den letzten Jahren leider zu erwarten. Zudem zeigen die Anschläge in Halle, Christchurch und nun Hanau die Gefahr eines rechten Terrors, der auch noch weltweit vernetzt ist.
Die Verrohung der Sprache gegenüber Muslimen trägt auch zu einer feindlichen Grundeinstellung bei. Wir beobachten eine gesunkene Hemmschwelle, sich gegen Muslime beleidigend und abfällig, gar gewaltbereit zu äußern. Eine Bedrohungslage ist somit aus Sicht der Gemeinden und vieler Muslime schon immer schon da gewesen, die uns jetzt traurigerweise in Hanau nochmal vor Augen geführt wurde. Wir sind mit unseren Gedanken bei den betroffenen Familien.
Welchen Angriffen waren Moscheen in Deutschland in letzter Zeit ausgesetzt?
In den letzten zwei Wochen gab es mehrere Bombendrohungen. Es gab Brandanschläge, Sachbeschädigung und Vandalismus. Hakenkreuzschmierereien und andere rechte Symbole wurden auf Moscheen gesprüht. Allein letztes Jahr haben wir 122 Angriffe registriert. Die meisten Täter/innen sind allerdings nie gefasst worden.
Aktuell beklagen Moscheen und Islamische Organisationen, dass sie über die Anschlagspläne der Gruppe S. nicht informiert wurden. Ist das ein Verhalten, das Ihnen in Ihrer Arbeit häufiger begegnet?
Uns ist kein Fall dieser Art bekannt, in dem eine vorherige Warnung ausgesprochen wurde. Nach unserem Eindruck kommt es selbst nach Angriffen und entsprechenden Anzeigen häufig vor, dass Behörden die Betroffenen nicht über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden halten. Die Moscheegemeinden sind meist selbst diejenigen, die sich nach der Sicherheitslage erkundigen und neue Informationen anfordern.
Ihre Initiative hingegen steht in engem Kontakt zu Moscheen. Welches Feedback bekommen Sie aus den Gemeinden?
Aufgrund der steigenden Anzahl der Angriffe und insbesondere der Bombendrohungen sind die Moscheegemeinden sehr besorgt. Die geringe Aufklärungsquote trägt zu diesem Eindruck bei. Gerade in solchen Zeiten wären Solidarität durch Politik und Zivilgesellschaft für die Muslime und Moscheegemeinden sehr wichtig. Wir haben beobachtet, dass dies ihren Ängsten und Sorgen entgegenwirken kann.
Yusuf Sari hat Sozialwissenschaften und Politische Kommunikation in Köln und Bielefeld studiert. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Seit 2014 arbeitet er bei FAIR international e. V. in Köln und leitet dort seit 2019 das Projekt #brandeilig.
Kommt es eigentlich vor, dass Sicherheitsbehörden auf Sie zugehen und um Hilfe bitten?
Von Politik und Behörden haben wir bisher keine Anfragen erhalten. Wir hoffen jedoch, dass sich dies künftig ändert. Grundsätzlich besteht von unserer Seite die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Gemeinsam könnten wir über eine Verbesserung des Erfassungssystems nachdenken. Denn die Zahl der von uns erfassten Moscheeangriffe ist höher als die „offizielle“ Zahl. Zudem könnten wir die Entwicklung eines effektiven Sicherheitskonzepts für Moscheen besprechen.
Was muss ihrer Meinung nach noch geschehen, damit Muslime in Deutschland in Zukunft in Sicherheit ihre Religion ausüben können?
Wir erachten folgende Maßnahme für sinnvoll: Gemeinsam mit dem Moscheen müssen effektive Schutzmaßnahmen entwickelt werden. Die Kommunikation der Behörden mit Moscheegemeinden und Muslimen muss verbessert werden. Die Aufklärungsquote muss steigen. Außerdem muss das Thema Antimuslimischer Rassismus durch die Politik endlich ernst genommen werde, zum Beispiel in dem ein Beauftragter oder eine Kommission für Antimuslimischen Rassismus eingesetzt wird.
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