Experte über Rüstungsexporte: „Mehr Regeln, mehr Kontrollen“
Noch immer exportiert Deutschland viel Kriegsgerät. Forscher Michael Brzoska hofft, dass neue Bundesregierung klare Beschränkungen durchsetzt.
taz: Herr Brzoska, was ist die Bilanz der Merkeljahre beim Thema Rüstungsexport?
Brzoska: Frau Merkel hat sich wenig um das Thema gekümmert. Aber es gab auch Momente, bei denen ich positiv überrascht war. Das betrifft Einschränkungen bei Kleinwaffen. Die neue Rüstungsexportrichtlinie schließt deren Export in Nicht-Nato- oder EU-Staaten aus.
Das zweite – und auch da war Frau Merkel beteiligt – war das Exportverbot gegen Saudi-Arabien und wie lange es durchgehalten wurde. Selbst, als es um in Frankreich zusammengebaute Waffensysteme ging, die geliefert werden sollten und die Regierung in Paris heftig protestierte.
Kritik haben Sie nicht?
Wenn ich positive Aspekte genannt habe, bedeutet dies ja nicht, dass es nicht auch kritische Aspekte gab. Das Gesamtniveau der Rüstungsexporte ist in der Ära Merkel nicht gesunken. Insbesondere in der Zeit der Koalition mit der FDP hat die Regierung versucht, Rüstungsexporte aktiv zu befördern, auch Frau Merkel persönlich zum Beispiel bei Staatsbesuchen im Ausland.
Was würde sich ändern, wenn SPD, Grüne und Linke die nächste Bundesregierung bilden?
Merkel hat Beschränkungen auf Saudi-Arabien begrenzt, andere Beteiligte am Krieg im Jemen wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten aber wurden weiter beliefert. Das ist ein Punkt, bei dem ich erwarte, dass eine neue Regierung ohne CDU und FDP anders handeln würde. Auch in anderen Einzelfällen, insbesondere bei Kriegsbeteiligung, wäre mehr Kontrolle wahrscheinlich. Dies würde sich auf das Gesamtniveau der Exporte zwar noch nicht groß auswirken, aber ein paar kritische Fälle weniger bedeuten.
SPD, Grüne und Linke haben in ihren Wahlprogrammen angekündigt, dass sie ein Rüstungsexportgesetz unterstützen …
ist Senior Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg (IFSH). Von 2006 bis 2016 leitete er das Institut. Davor war er unter anderem Forschungsleiter am Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) und Projektleiter im Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) in Schweden.
Das ist schon seit langer Zeit eine Forderung von kritischen Beobachtern. Die Rechtslage ist bei Rüstungsexporten sehr zersplittert. Vor allem, wenn es nicht um komplette Waffensysteme geht, sondern auch um Rüstungsgüter im weiteren Sinne, ist die Gesetzeslage schwach. Da fällt es dann unter das grundsätzlich zivile Außenwirtschaftsgesetz, Hersteller haben ein Klagerecht. Auch wenn es um Bürokratie geht, wird es kritisch.
Ein Rüstungsexportgesetz wäre daher schon ein Fortschritt. Es müssten dann auch mehr Beschränkungen, mehr Kontrollen erfolgen.
Ist der politische Wille dafür da?
Was man aus SPD und von den Grünen hört, sind sie dazu bereit. Allerdings steht dem entgegen, dass in beiden Parteien ein großes Interesse an „mehr Europa“ in der Rüstungsproduktion besteht. Da unsere EU-Partner, insbesondere Frankreich, mit Exporten rechnen, wird es schwer, beide Ziele – mehr Kontrolle bei Bauteilen und mehr Europäisierung – in Einklang zu bringen.
Die Linken würden ein Rüstungsexportgesetz sicher unterstützen. Sie sind ja der Meinung, man sollte Rüstungsexportgeschäfte ganz unterbinden. Das wird mit Rot und Grün wohl nicht zu machen sein.
Die Bundeswehr nutzt ja auch Waffen …
Wenn man die Bundeswehr und die Nato hat – die ich kritisch, aber alternativlos sehe – dann muss es auch möglich sein, selbst Waffen zu produzieren. Die Produktion kann man aber anders organisieren, eben europäisch.
Was wäre die ideale Rüstungspolitik für Deutschland?
Meine Vision ist eine europäische Rüstungsindustrie, die weitgehend auf Exporte verzichtet. Das müsste möglich sein. Der europäische Markt wäre eigentlich groß genug.
Das wäre allerdings politisch schwer umzusetzen, weil Frankreich und Großbritannien auf den Weltmarkt zielen. Oder wie Polen, aus politischen Gründen lieber Panzer in den USA kaufen.
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