piwik no script img

Experte über Dobrindts Mautpläne„Kaputte Straßen und Häuser“

Das Fahren auf Landstraßen sollte deutlich teurer sein als auf Autobahnen. Das fordert Hans-Christian Friedrichs vom alternativen Verkehrsclub.

Viele Lkw weichen auf Nebenstraßen aus, um Mautkosten zu sparen. Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Herr Friedrichs, demnächst soll es zusätzlich zur Lkw-Maut noch eine Maut für Pkw geben. Was halten Sie davon?

Hans-Christian Friedrichs: Wir lehnen sie ab, weil sie ineffizient und unökologisch ist. Wir fänden eine Pkw-Maut nur dann sinnvoll, wenn sie nachhaltige Effekte für den Umweltschutz hätte. So, wie die Pkw-Maut jetzt konzipiert ist, geht es nur darum, neue Geldquellen zu erschließen.

Mit denen könnte das Straßennetz ausgebaut und ausgebessert werden.

Das passiert aber nicht. Momentan weichen sehr viele Lkw von den Autobahnen auf Land- und Bundesstraßen aus, um die Mautgebühren zu sparen. In manchen Regionen ist der Lkw-Verkehr auf den Landstraßen um bis zu 70 Prozent gestiegen. Da donnern bis zu 1.000 Laster täglich durch die Dörfer.

Hat die Pkw-Maut, die nur auf Autobahnen gelten soll, einen ähnlichen Effekt?

Das ist zu erwarten, wenngleich etwas abgeschwächt. Die Folge werden noch mehr kaputte Straßen und Häuser sein. Die Anwohner klagen jetzt schon über Krach und Abgase, die Kinder können nicht mehr draußen spielen. Die lokale Wirtschaft vielerorts ist jetzt schon stark beeinträchtigt, das wird sich verstärken.

Aber die lokale Wirtschaft soll durch Dobrindts neue Pkw-Maut gerade doch geschützt werden.

In stark betroffenen Regionen, wie dem Wendland in Niedersachsen oder Landstrichen in Brandenburg, passiert das Gegenteil. Lokale, Cafés, Hotels, Geschäfte machen dicht, weil Gäste und Kunden wegbleiben. Denen ist es zu laut und zu dreckig.

privat
Im Interview: Hans-Christian Friedrichs

Der 50-jährige EDV-Berater ist Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), eines Lobbyverbands für „eine umweltverträgliche, sichere und gesunde Mobilität“.

Wer kommt dafür auf?

Ungerechterweise übernimmt die Kosten für die Reparatur der Straßen im ländlichen Raum nicht der Bund, der die Einnahmen aus der Maut bekommt. Die Straßen müssen die Kommunen und Landkreise aus eigener Tasche bezahlen, das belastet die Haushalte massiv. Von den Einschränkungen für die Anwohner und den Reparaturkosten für die Häuser und den Wertverlusten ganz zu schweigen.

Fast alle Länder in Europa haben ein Mautsystem. Warum sollte Deutschland eine Ausnahme machen?

Sinnvoll ist ein hiesiges Mautsystem, bei dem die Kosten für die Autobahnbenutzung geringer sind als die Kosten für Bundes- und Landstraßen. Das hätte zur Folge, dass es für die Lkw und Schwerlaster keinen finanziellen Anreiz mehr gäbe, auf die Landstraßen abzufahren. Das Gleiche gilt für Pkw-Fahrer.

Wie teuer sollte die Maut sein?

Die Gebühr sollte deutlich steigen, von derzeit durchschnittlich 15 Cent pro Kilometer auf 45 Cent pro Kilometer auf den Landes- und Bundesstraßen. Das wäre deutlich teurer als der Transport mit der Bahn, die dadurch einen Wettbewerbsvorteil hätte. Höchstes Ziel sollte nämlich sein, den Gütertransport über die Schiene zu leiten. Das ist ökologisch und ökonomisch der beste und sicherste Weg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wenn die Steuern, die beim Autofahrer abkassiert werden, für den Straßenbau ausgegeben werden würden, könnte der Straßenbelag vergoldet werden.

     

    47 Milliarden Euro zahlen die Autofahrer 2013 in die Staatskassen. Fünf Milliarden fließen in die Straßen, die sie benutzen. Mit den übrigen 42 Milliarden Euro finanziert der Bund alles Mögliche.

  • Vielleicht sollte Herr Dobrindt auch für eine LKW-Maut in Städten nachdenken. Dann würden Städte von den sehr großen und vor allem für Anwohner an Hauptstraßen sehr lauten LKW verschont bleiben, Logistikcenter eher am Rand von Städten entstehen und der Transport von Waren innerhalb der Städte mit Kleinlastern erfolgen. Umweltzonen in Städten sollten für große LKW generell tabu sein.

  • Interessante Thesen von Herrn Friedrichs. Sie lenken einen neuen Blick auf die Thematik.

    Mir erscheint die Verkehrspolitik hierzulande als eine der irrationalsten Politikgebiete zu sein. Der Umweltschutzgedanke wird darin erst in Jahrzehnten Einzug finden.