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Ex-Staatssekretär über die Energiewende„Wir brauchen einen Ideen-Wettstreit“

Wind und Fotovoltaik seien die Sieger unter den erneuerbaren Energien sagt Rainer Baake vom Agora-Institut. Mit ihnen müsse die Energiewende gelingen.

Wind und Sonne sind die Zukunft, meint Rainer Baake. Bild: dpa
Interview von Martin Reeh

taz: Herr Baake, Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat sich einen nationalen Konsens bei der Energiewende gewünscht. Jetzt kommt Ihr Agora-Institut und will alles wieder neu diskutieren: wie viel Wind und wie viel Solarstrom wir brauchen, wie viel Biomasse und Geothermie. Muss das sein?

Rainer Baake: Es gibt in Deutschland einen Konsens, dass wir bis 2022 aus der Kernenergie aussteigen und dass die Zukunft den Erneuerbaren gehört. Wie wir diesen Weg gestalten, muss Teil der gesellschaftlichen und politischen Diskussion sein. Da sollte es einen Wettstreit um die besten Ideen geben.

Ihr Institut hat zwölf Thesen zur Energiewende veröffentlicht. Die vielleicht überraschendste lautet, der Mix aus erneuerbaren Energien solle außer auf Wind- vor allem auf Solarstrom basieren, weil der eine preisgünstige Energie sei. In der öffentlichen Debatte heißt es momentan, Solarstrom sei zu teuer. Was stimmt denn nun?

Der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgelöste Technologiewettbewerb hat zwei Sieger hervorgebracht: Wind und Fotovoltaik. Deren Kosten sind massiv gesunken und werden weiter sinken Sie haben das größte Potenzial. Die Energiewende wird daher auf der Basis von Wind und Fotovoltaik gelingen – oder gar nicht.

Um genau zu sein, prognostizieren Sie, dass Fotovoltaik erst ab 2015 in dem günstigen Bereich von 7 bis 10 Cent pro Kilowattstunde sein wird. Noch sind es 12 bis 17 Cent. Müsste nicht jetzt der Ausbau der Fotovoltaik verlangsamt werden, um ihn dann nach 2015 wieder zu beschleunigen?

Nur durch industrielle Massenproduktion sinken die Kosten. Wer jetzt die Entwicklung abbricht, wird daher auch keine Kostendegression erleben. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein schnelles, mengenabhängiges Sinken der Einspeisevergütung festgeschrieben. Ein Zubau wird in zukünftigen Jahren keine nennenswerten Auswirkungen mehr auf die EEG-Umlage haben.

Bild: dapd
Im Interview: RAINER BAAKE

war Staatssekretär im Bundesumweltministerium. 2012 wurde er Direktor von Agora Energiewende. Diese Initiative wurde von der European Climate Foundation und der Stiftung Mercator gegründet.

Es sei denn, Deutschland baut Fotovoltaik in großen Mengen hinzu. In der Solarbranche wird derzeit über 200 Gigawatt installierte Leistung aus Solarstrom diskutiert – ein allerdings theoretischer Wert, weil in der Praxis wegen der unterschiedlichen Sonneneinstrahlung in Deutschland 200 Gigawatt Leistung nicht oft auch nur annähernd erreicht werden können. Die Spitzennachfrage für Strom liegt bei etwa 70 oder 80 Gigawatt. 200 Gigawatt Fotovoltaik wären knapp siebenmal so viel, wie installiert ist. Brauchen wir die wirklich?

Die Fotovoltaikförderung durch das EEG endet bei 52 Gigawatt. Wir benötigen jetzt eine Strategie zum kostengünstigen Erreichen der Ausbauziele für die Erneuerbaren. Es gibt in Deutschland derzeit zwei Thesen. Die eine lautet, die Anlagen möglichst dort zu bauen, wo man die billigste Kilowattstunde bekommt, das heißt Wind im Norden und Fotovoltaik im Süden. Die andere These heißt, es ist besser, Netzausbaukosten zu vermeiden und die Anlagen nahe an den Verbrauchszentren zu errichten. Aber bisher hat erstaunlicherweise niemand untersucht, welcher Pfad welche Kosten für das Gesamtsystem verursacht. Wir haben dazu jetzt einen Forschungsauftrag erteilt.

Und die 200 Gigawatt?

Was ein Durchbruch bei der Fotovoltaik bedeuten würde, ist Teil des Untersuchungsauftrags.

Offshorewind halten Sie derzeit für zu teuer. Die Bundesregierung hält in ihrem Ausbaukonzept den Wind vor den Küsten aber für eine Schlüsseltechnologie.

Wir sind nicht gegen Offshore. Früher oder später brauchen wir die Windkraft in der Ost- und Nordsee, um die Ausbauziele zu erreichen. Es stellt sich aber die Frage nach der Ausbaugeschwindigkeit.

Aus Kostengründen befürworten Sie auch den Ausbau von Hochspannungsnetzen statt der Speicherung der erneuerbaren Energie.

Wir brauchen irgendwann Langzeitspeicher, die in der Lage sind, zum Beispiel auch eine Novemberwoche zu überbrücken, in der die Sonne nur wenig scheint und in der wir zufällig keinen Wind haben. Das geht nicht mit Batterien oder Pumpspeicherkraftwerken, die Strom nur wenige Stunden speichern können. Dafür brauchen wir neue Technologien, etwa power to gas.

Aber Sie halten diese erst für nötig, wenn wir 70 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben. Derzeit sind es 23 Prozent.

Die Umwandlung von Strom in Gas und wieder zurück hat enorme Wirkungsgradverluste, der Netzausbau ist viel kostengünstiger. Wenn wir jetzt Speicher bauen, um Netzausbau zu vermeiden, machen wir die Energiewende teuer und verspielen Akzeptanz.

Solange Sie nicht speichern, brauchen Sie konventionelle Kraftwerke, wenn Strom aus Erneuerbaren nicht zur Verfügung steht. Sie befürworten auch einen europäischen Netzausbau und Strommarkt – und verlassen sich damit darauf, dass notfalls die französischen AKWs einspringen.

Deutschland braucht die AKWs in Frankreich nicht. Die Energiewende in Deutschland ist allerdings kein Abschied von Europa, keine Renationalisierung von Energiepolitik. Wir sollten uns mit Ländern, die ähnliche Ziele verfolgen, zum Beispiel Österreich oder auch Norwegen, abstimmen; im Verbund wird die Energiewende günstiger.

Studien zur Energiewende sind bisher oft von den Branchenverbänden der Erneuerbaren getragen worden; da hat man sich um den Kuchen der Energiewende nicht wirklich gestritten. Ihre Thesen können nun nicht allen Verbänden gefallen. Welche Reaktionen gab es darauf?

Wir haben euphorische wie kritische Antworten erhalten …

euphorisch vermutlich aus der Wind- und Fotovoltaikbranche …

… und vertreten Positionen, die das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen. Da wird es noch viele Reibungspunkte mit Lobbyverbänden geben.

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11 Kommentare

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  • HK
    Hady Khalil

    Eine Idee, der Energiewende Beine zu machen.

    Bündnisgrüne, wenn der Umweltminister der Öffentlichkeit eine Regelmäßige Berichterstattung über den aktuellen Stand der Energiewende schuldig bleibt, gebt ihr doch einen heraus. Ihr könnt den Bericht ja noch jeweils monatlich garnieren mit einer eigenen Idee zur Energiewende. Ich schenk euch eine für eure interne Strategien. Ich habe mich schon öfter gefragt, welche Rolle das Öko Institut bei der Energiewende spielt. Ich glaube keine, warum eigentlich. Das Öko Institut ist doch der deutsche Thinktank für die Energiewende. Die haben doch schon solche Konzepte entwickelt, als die anderen gerade lesen und schreiben gelernt haben. Wie arbeitet ihr eigentlich mit denen zusammen? Man ist stolz darauf, das Deutschland in Umweltkonzepten und Technologien überall in der Welt wert geschätzt wird, die Vordenker aber werden ignoriert, statt sie ebenso stolz zu Ehren für ihre Wertarbeit und fleißig zu unterstützen. Da sind doch die Erfolgskonzepte und die Weiterentwicklung davon.

  • PS
    Peter S.

    Hallo Peter, wo ist die deutsche Industrie innovationsfeindlich? Offensichtlich kennen Sie sich dort nicht aus. Weiterhin steht es Ihnen frei, Aktien von E.ON oder Banken zu erwerben und patenter Aktionär zu werden. Dass die AEG ein Opfer einer verfehlten Geschäftsstrategie von Daimler-Benz ist bzw. deren Nieten in Nadelstreifen, ist Ihnen wohl entgangen? Wer natürlich daran glaubt, dass dunkle staatliche Mächte die AEG zerstört hat, um die Wasserstoffwirtschaft zu sabotieren, da hat sich wohl jede weitere Diskussion erledigt. Nur ein Hinweis, die Brennstoffzelle als Bestandteil der Wasserstoffwirtschaft findet Verwendung als Antrieb von deutschen U-Booten, da spielen nämlich Kosten keine Rolle. Übrigens, die PV-Sondermüllhersteller(sofern nicht schon Pleite)glänzen mit den niedrigsten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, das nenne ich innovationsfeindliche Industrie.

  • P
    Peter

    Hallo Peter S.

    Sie nennen andere "Weltenbeglücker" die neue Wege, weg vom Öl wollen?

    Ist das eine neue konservativ und fortschrittsfeindliche Richtung?

     

    Fakt ist die mechanische Leistung eines "Verbrennungsmotor" dem der thermischen entspricht. 50kw mechanische Leistung entspricht ca. 50kw Wärmeleistung die in die Umwelt verpufft. Und das finden Sie fortschrittlich?

    Nur ein Freak kann Fracking zur Rohstoffgewinnung für solch schlechten Wirkungsgrad gut finden.

    Da waren vor ~2300 Jahren selbst die Griechen oder römische Reich deutlich innovativer. Der Mangel an Sklaven zur Brotherstellung trieb den Fortschritt an. Essen müssen alle und so gab es Pont du Gard(Wasserkraft++), in Rom die Janiculum Mühlen, Barbegal, Aspendos etc.

     

    Die innovationsfeindlichkeit der Industrie nebst Banken zum Wohle der patentieren Aktionäre sollte inzwischen jeder erkannt haben. Lügen mit Zahlen,

    http://www.luegen-mit-zahlen.de/

    darin ist die Welt in diesem Universum weltspitze. Ich habe mir den Fusionsbericht der EU, VEBA+VIAG=Eon angetan. In der EU können die nicht einmal eine kleine Tabelle von 5x5 Zellen richtig addieren. Tolle Fachleute sitzen da, im Kartellamt.

     

    "..nur einmal mit einem/ einer richtigen Fachmann/-frau aufwarten"

    Selbstverständlich Peter S.

    Kennen Sie von AEG Dr. Rüdiger Dahlberg, das Dahlberg Programm welches ~10 Jahre später, 1995 auf Wiedervorlage der Bundesregierung stand?

    1983, "Fusion und schnelle Brüter helfen nicht weiter", "..Leichtwasserreaktor, ein installiertes Watt kostet 3,70DM."

    S. BdWissenschaft, Ausgabe 4, April 1983.

    Bewusste staatliche Demontage der AEG zum Wohle der Atomwaffen? Identisch mit den Sonnenöfen in Frankreich. Kaum gebaut, schon geschlossen.

    Wir leben im Mittelalter und merken es nicht einmal.

  • PS
    Peter S.

    Hallo Peter, der Autor dieser "Studie" des IPPNW, Paulitz, ist Diplombiologe und selbsternannter Atomexperte. Könnt ihr Weltenbeglücker bitte nur einmal mit einem/ einer richtigen Fachmann/-frau aufwarten?

  • P
    Peter

    Alle Gesellschaften, vor allem Europa könnte es, haben nur mit dem Weg weg vom Öl eine Überlebenschance.

    Alles andere ist Augenwischerei und produziert neues Leid.

    Die Deutsche Rohstoffagentur würde notfalls militärisch gegen andere EU Staaten ihre Interessen durchsetzen!

    Die USA macht es seit 100 Jahren.

     

    Lüge Nr. 1: Wenn die deutschen Atomkraftwerke stillgelegt werden, müssen wir Atomstrom aus dem Ausland importieren.

    http://www.ippnw.de/startseite/artikel/09bb1754be/die-penetrantesten-luegen-der-energi.html

  • D
    dete

    Selten habe ich soviel Unsinn gelesen. Wenn ich nur genug Subventionen verteile, kann ich auch am Nordpol Klimaanlagen an den Kunden bringen. EE werden niemals die Grundlast für D bereitstellen können. Das gesamte EEG ist eine völlig induskutable Verteilung von unten nach oben und technischer Unsinn. Der BDEW hat hierzu schöne Studien veröffentlicht. Die unteren 10% der Bevölkerung finanzieren die EEG der Reichen. Oder anders gesagt: NRW's Harzt4-ler zahlen ca. 1,5Mrd € Sonnenförderung direkt in das so arme Bayern. Tolle soziale Energiewende!! Für den technischen Rest reicht der Dreisatz.

     

    Wenn ich diesen Unsinn über die Speicher höre, geht mit echt der Hut hoch. Wir haben heute Pumpspeicherkraftwerke (riesen große Flächen), die gerade mal für 6h eine Leistung von 7GW liefern könnten. Aber auch nur, wenn die Dinger voll sind, was nicht immer gegeben ist. Um 1 Woche windfrei auszugleichen, ist die über 150fache Kapazität nötig. Bei dem gigantischen Flächenverbauch dieser Dinger ist das völlig unrealistisch. Alle anderen Speichersysteme sind heute als auch in der nahen Zukunft vom Wirkungsgrad her als auch der Kosten völlig indiskutabel.

     

    Uns sowas nennt die TAZ unabhängigen Journalismus. Fragt niemals die Frösche, wenn man den Teich trockenlegen will. Diese ganze Energiewende geht mir als Ingenieur so langsam richtig auf die Nerven, da die technischen Aspekte völlig vernachlässigt werden; aber dafür haben wir ja die technisch kompetente Ethikkommision.

  • UB
    uk based

    Gents, Ladies, dear taz reader

    please read ef Magazin 12 - 2012 and make your mind up. The topic Gruene Gier, Vettern und Paten is great.

     

    Thank you

  • S
    smukster

    Das Wichtigste wird wieder mal ausgeblendet: Ueber kurz oder lang muss der Verbrauch drastisch reduziert werden. Es kann nicht darum gehen, 100% des derzeitigen Bedrafs regenerativ zu erzeugen. Wer's nicht glaubt, moege sich bitte eine Welt vorstellen, in der alle Menschen soviel Energie (und Ressourcen) verbrauchen wie wir: Das wird nichts. Also entweder fortgesetzte globale Ungleichheit (und militaerische Absicherung derselben) oder Verbrauchsreduktion.

     

    Was ebenfalls fehlt: Soweit ich weiss, ist Solarthermie sehr viel billiger als PV - nur eben noch nicht marktreif. Wind und PV haben nicht "gesiegt", sie sind nur derzeit am weitesten entwickelt.

  • PS
    Peter S.

    Zitat dieses Lobbyisten: "Wir benötigen jetzt eine Strategie zum kostengünstigen Erreichen der Ausbauziele für die Erneuerbaren." Ein Märchen zur Weihnachtszeit, wie schön. Es wird, wie schon seit 13 Jahren, gelogen, dass es uns nichts kostet, dieses Umverteilung von Unten nach Oben.

  • W
    werner

    Ja, ja, so hat jeder seine eigene Sicht auf die besten Strategien. Dabei sagt Herr Baake selbst, dass wesentliche Elemente dieser Strategien noch nicht einmal druchgerechnet sind. Das ist also das gute alte klappern, das zum Geschäft (auch von wiss. Instituten) gehört.

    Interessant erscheint mir, dass 99% solcher Sichtweisen sich allein mit technischen Lösungen befassen. (Neue) Erkenntnisse zu Rebound-Effekten und common-goods (Allmende) weisen in eine andere Richtung: Wir bräuchten knallharte Obergrenzen für den Verbräuch fossiler Energien.

    Doch da traut sich keiner ran. Das klingt nicht schick und macht nur Feinde, denn Verbraten wollen wir (und damit meine ich auch das Konstrukt "Wirtschaft") nach wie vor auf Deubel komm raus.

    Die Meinung "Geschäft"sführers ist also ungefähr so viel Wert, wie die jedes anderen "Geschäft"sführers aus dem jeweiligen "Geschäft"sfeld.

  • WS
    Willi Stock

    Hurra, wieder einer Lobbyisten der EE-Industrie. Kein Konzept, aber immer weiter ausbauen, natürlich PV und Onshore. Ich würde gerne mal wissen, wer diesen Experten bezahlt...

    Ideenwettstreit? Sowas nennt man Markt, guter Mann...