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Ex-SPD-Minister Gerster wechselt zur FDPSchröders bester Mann

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Nach über 50 Jahren beendet er ein Missverständnis. Florian Gerster ist nun in der Partei, die zu ihm passt.

Florian Gerster, früher abgeschminkt, heute umgeschminkt Foto: ap

M an muss Florian Gerster dankbar sein. Fast hätten einem ja bei der Rede Christian Lindners auf dem Dreikönigstreffen der Freidemokraten in der Stuttgarter Oper Zweifel kommen können.

Ein FDP-Chef, der über die Sorgen von Hartz-IV-Empfängern und Minijobbern spricht? Der nicht nur Arbeitsplatzabbau beklagt, sondern auch noch einen „Mangel an Empathie gegenüber den Menschen, die jetzt berechtigte Zukunftssorgen haben müssen“? Und der dann auch noch ankündigt, seine Partei werde demnächst vor die Werkstore ziehen wie weiland die DKP?

Wird aus der guten alten sozialchauvinistischen Partei der Besserverdiener etwa eine Arbeiter-und-Bauern-Partei? Aber dann begrüßte Lindner von der Bühne herab stolz „unser ganz frisches Neumitglied“. Alle Besorgnis war also unbegründet: Es bleibt doch alles beim Alten.

Florian Gerster passt so perfekt zur FDP, dass man sich fragt, warum er ihr nicht schon immer angehörte, sondern mehr als 50 Jahre der SPD. Wer sich nicht mehr an ihn erinnert: Der heute 70-Jährige ist derjenige, den der damalige Kanzler Gerhard Schröder einst als seinen „besten Mann“ an die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit beförderte.

Gehalt auf Kanzlerniveau

Dort ging Gerster sofort mit Tatkraft ans Werk: Während er gegen „überzogenes Anspruchsdenken“ von Arbeitslosen wetterte, ließ er sich erst mal das mickrige Gehalt seines Vorgängers auf Kanzlerniveau verdoppeln und bestand auf drei Dienstwagen inklusive Chauffeure. Wenn Gerster in der Nürnberger Zentrale mit dem Aufzug nach oben wolle, habe das niedere Personal von der Benutzung des Fahrstuhls gefälligst Abstand zu nehmen, wusste seinerzeit der Stern zu berichten.

Zwei Jahre, von 2002 bis 2004, durfte er an der Spitze der von ihm in Bundesagentur umbenannten Anstalt bleiben. Dann flog der „Gernegroß“ (Stern) raus. Hartz IV blieb dem glühenden Verfechter der Agenda 2010 indes erspart: Er wurde ein wohldotierter Wirtschaftslobbyist, der mit Verve gegen Mindestlöhne und sonstige unbotmäßige Gewerkschaftsforderungen kämpfte.

Nun ist der Arztsohn auch formal dort gelandet, wo schon sein Vater und seine Mutter waren: in der FDP. „Ich denke, meine Eltern sitzen auf einer Wolke sieben und sind jetzt zufrieden mit der Entscheidung ihres Sohnes“, sagte Gerster dem Spiegel.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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6 Kommentare

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  • Fragt sich nur, wann Clement, Müntefering, Scholz und vor allem Schröder ihm folgen werden. Hartz IV ein Projekt für die 18 Prozent - die SPD geht mit dieser FDP-Politik den Bach runter. Und, wen wundert das, schließlich knackt die FDP selten die 10-Prozent-Hürde, oft genug bleibt sie unter der 5-Prozent-Hürde. Gerster ist eben ein Sinnbild für eine Partei, die sich selber überflüssig macht und gerne untergeht.

    • @Andreas_2020:

      Leider bleibt diese Partei der Reichen und Blutsauger nicht 'oft genug' unter der 5-Prozent-Huerde. Oft genug wurde bedeuten: Immer!

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Ach bitte, wie lange muß die Agenda 2010 noch herhalten als Begründung für die desolate Verfassung der SPD heute? Was trieben denn all die vielen Vorsitzenden seit Schröder.bzw was treibt die Partei mit ihren Vorsitzenden? Da gibt es mehr als genug Gründe für das Desinteresse an dieser Partei, die in der Gegenwart bzw jüngeren Vergangenheit liegen. Aber Sündenbocke identifizieren und jagen war schon immer attraktiv, weil es einfach ist.

      • @80576 (Profil gelöscht):

        Die SPD hat ihre Markenkern -sozialer Ausgleich, Teilhabe der unteren Mittelklasse und oberen Unterschicht - aufgegeben. Das symbolisieren diese Reformen. Gegegen die Folgen der Riester-Reform hetzt inzwischen die Bild-Zeitung, die damals wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Reform so zu Lasten der abhängig Beschäftigten ausgefallen ist. Natürlich ist die SPD auch randvoll mit Funktionären, die floppen, aber ihre Grundausrichtung ist 2003 KO gegangen und zwar mit einer bewußt herbeigeführten Wende durch die damalige Führung.

  • Die SPD ist nicht zuletzt wegen solcher Typen wie Florian Gerster heute ein sinkendes Schiff. Man merkt es allein schon daran, dass die kleinen Nager jetzt nach und nach von Bord gehen.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Das hätten alle Agenda-Anhänger vor der Umsetzung machen sollen; dann würde es der sPD heute besser gehen ;-)