Ex-Obama-Wahlkämpfer über Laschet: „Wer erklärt, verliert“
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist in der Defensive. Er verbringe zu viel Zeit damit, Fehler zu erklären, sagt Kampagnenexperte Julius van de Laar.
taz: Herr van de Laar, die Zustimmungswerte für die Union sinken, Spitzenkandidat Armin Laschet schneidet in Umfragen inzwischen historisch schlecht ab und kriegt bislang die Kurve nicht. Sie sind Kampagnenexperte: Was läuft da schief?
Julius van de Laar: Armin Laschet ist solide in das Wahljahr gestartet. Wahlkampf ist jedoch immer ein Wettlauf um die Deutungshoheit. Und Laschet hat nie genau definiert, wo er hin möchte. Das wird ihm im Moment zum Verhängnis.
Obwohl die Probleme – Stichwort Klima, Stichwort Corona – so groß sind, schien es anfangs so, als könnte er genau mit diesem Kurs erfolgreich sein: Vage bleiben, auch im Wahlprogramm, niemandem weh tun.
Wenn man Laschet im Frühjahr zugehört hat, lautete die Botschaft: Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, braucht Deutschland ein Update, das er durchführen möchte. Im Kontrast dazu steht jedoch die grüne Partei, die kein Update, sondern eine radikale Revolution anzetteln will. Laschet hat dadurch die Bundestagswahl als eine Weggabel definiert, mit unterschiedlichen Pfaden in die Zukunft. Das war clever, denn er weiß: Die meisten Deutschen scheuen sich vor einer Revolution. Hinzu kommt: Solange die Aufmerksamkeit auf Annalena Baerbocks Fehlern lag, war es aus Sicht der Union richtig, die Füße still zu halten.
Und als Annalena Baerbock die Aufmerksamkeit nicht mehr alleine auf sich gezogen hat?
Als die CDU ihr Regierungsprogramm veröffentlicht hat, richtete sich das Scheinwerferlicht auf Armin Laschet und die Frage: Wo genau will er eigentlich als Bundeskanzler hin und wie will er für all die Wahlkampfversprechen bezahlen? Aber wirklich gewendet hat sich das Blatt mit der Flut und den vielen Pannen, die passiert sind …
… das Lachen während Steinmeiers Rede, der Ausspruch, wegen eines solchen Tages ändere man nicht die Politik, die Ansprache vor dem Müllberg.
ist 38 Jahre alt, hat Politologie studiert und ist Kampagnen- und Strategieberater mit Sitz in Berlin. Er hat unter anderem für die Kampagne von Barack Obama gearbeitet.
Das hätte natürlich nie passieren dürfen. In Deutschland unterschätzt man noch immer die Macht der Bilder im Wahlkampf. Auch dieses Bild, auf dem es so scheint, als würde Laschet beim Gespräch mit einem aufgebrachten Bürger im Flutgebiet unter einem Regenschirm, der Mann aber im Regen stehen …
Was nicht stimmt, sondern nur an dem Bildausschnitt lag. Der Mann stand auch unter einem Regenschirm.
Absolut richtig. Aber dennoch wird die optische Wahrnehmung zur Realität des Betrachters. Das Bild erzählt eine andere Geschichte und festigt ein Narrativ, was an die vorherigen Fehler anknüpft: Laschet lässt die Bürger im Regen stehen. Und statt vorzupreschen, die Deutung zu übernehmen und zu sagen, wie er sich den Aufbau vorstellt, waren er und sein Team zu lange damit beschäftigt, dieses Bild wieder zu korrigieren. Zwei Fehler reichen, um einen Abwärtstrend einzuleiten. Im Wahlkampf gilt: Wer erklärt, der verliert. Die effektivste Waffe im Wahlkampf ist die neue Information. Wenn ich nicht kommuniziere, tun es andere – und man selbst findet sich in der Defensive wieder.
Was hätte er also tun sollen?
Laschet hätte in der Rolle als zukünftiger Kanzler noch am ersten Nachmittag Annalena Baerbock und Olaf Scholz direkt ins Krisengebiet einladen können. Die Botschaft: In dieser Katastrophe geht es nicht um Wahlkampf. Wir müssen gemeinsam als Team die besten Ideen finden – unter meiner Leitung, versteht sich von selbst. So werde ich Deutschland auch in den kommenden Jahren durch die Krisen navigieren.
So funktioniert ja auch seine Regierung in NRW. Laschet kann anderen die Bühne überlassen. Malu Dreyer und Angela Merkel haben im Übrigen genau das vorgemacht: Sie sind zusammen durch das Krisengebiet gelaufen und haben das getan, was sich viele in dem Moment gewünscht haben: Empathie zeigen und keinen Wahlkampf machen. Währenddessen wurden starke Bilder produziert.
Andere Politiker – Helmut Schmidt beispielsweise und Gerhard Schröder – haben sich über Fluten profiliert. Warum gelingt Laschet das nicht?
Das war tatsächlich der Moment, in dem Laschet den Sack hätte zumachen können – er, der die Krise managen kann und bereit ist, Verantwortung an vorderster Front zu übernehmen. Es war richtig, dass er am Vorabend der Flut den geplanten Termin bei der CSU in Seon abgesagt hat und in NRW geblieben ist. Dann aber ist er nicht in die Offensive gegangen – was er jetzt erst, drei Wochen später, in seiner Rede vor dem Landtag nachgeholt hat.
Wartet Armin Laschet zu lange, bis er sich eines Themas annimmt? Bei Corona war das ja auch der Fall.
Ja. Gerhard Schröder stand damals mit Gummistiefeln und in Regenjacke auf dem Deich. Stoiber, sein Kontrahent, kam zu spät und in schicken Klamotten. Das sind Bilder, die hängen bleiben. Schröder stand für Tatkraft, Stoiber für Zaudern. Dieses Bild festigt sich und die Frage, die bei Wählerinnen und Wählern hängen bleibt, ist: Kann er in Krisen adäquat handeln? Ist er der Richtige?
Als Campaigner: Was würden Sie Laschet und der CDU nun raten?
Elections are about the Future, not the past – es geht um die Zukunft, nicht die Vergangenheit. Das war auch schon das Motto von Bill Clinton. Übersetzt heißt das: Raus aus der Defensive. Rein in den Angriff. Die Erzählung muss rückfokussiert werden auf das Bild des Updates. Allerdings gibt es dabei auch ein Problem. Durch die Flutkatastrophe und die verheerenden Hitzewellen und Waldbrände in den USA, aber auch in Europa werden einige denken: Müssen wir nicht doch energischer gegen den Klimawandel vorgehen? Die Bilder aus der Türkei und Griechenland, aus Rheinland-Pfalz und NRW spielen, so zynisch es klingt, eher Annalena Baerbock in die Karten.
Braucht es also eine Veränderung in der Kampagne? Raus aus dem Schlafwagen, um mal mit Markus Söder zu sprechen?
Für die verbleibenden 46 Tage gilt: Keine Mobilisierung ohne Polarisierung. Die Kampagnen müssen den Kontrast zu den politischen Kontrahenten rausarbeiten. Kommunikativ bedeutet das: Löse niemals ein Problem, das keiner hat. Oder im Umkehrschluss: Verkaufe das Problem, das du löst, und nicht die Lösung.
Und welches Problem, das Armin Laschet exklusiv lösen könnte, würden Sie verkaufen?
Umfragen zeigen, dass sich fast jeder darüber bewusst ist, dass Deutschland nach 16 Jahren Angela Merkel einen Aufbruch benötigt. Die Frage ist, wie dieser gestaltet werden soll. Laschet wird das Argument machen, dass die Zukunftsprobleme mit Maß und Mitte angegangen werden müssen und nicht mit radikalen Positionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört