piwik no script img

Ex-Ministerpräsident von NiedersachsenErnst Albrecht ist tot

14 Jahre regierte Albrecht Niedersachsen, in seine Amtszeit fiel die Entscheidung für den Atommüll-Standort Gorleben. Nun ist der Vater von Ursula von der Leyen gestorben.

Und hier bauen wir ein Atommülllager: Ernst Albrecht bei einer Pressekonferenz 1977. Bild: dpa

BURGDORF/MASAR-I-SCHARIF afp/dpa | Der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht ist tot. Der 84-Jährige starb am Samstag, wie seine Tochter, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, bei einem Truppenbesuch im afghanischen Masar-i-Scharif mitteilte. Albrecht war in der CDU und von 1976 bis 1990 Regierungschef von Niedersachsen. In Albrechts Amtszeit als Ministerpräsident fiel 1977 die Entscheidung für den Standort Gorleben als Atommülldeponie.

„Mein Vater hat ein sehr erfülltes, langes Leben gehabt“, sagte von der Leyen in Masar-i-Scharif. Er habe nicht leiden müssen und sei „ganz schnell und ganz friedlich“ gestorben. Insofern sei sie „eher von Dankbarkeit als von Trauer erfüllt“.

Albrecht hatte die Landtagswahl 1990 gegen Gerhard Schröder (SPD) verloren, den späteren Bundeskanzler. Bei der Wahlniederlage gab er seinen Abschied aus der Politik bekannt. 2008 machte seine Tochter Ursula von der Leyen öffentlich, dass ihr Vater an Alzheimer leide. Seit 2007 lebten von der Leyen und ihre Familie daher auf Albrechts Anwesen und halfen bei dessen Pflege. Von der Leyen, von ihrem Vater „Röschen“ genannt, ist das dritte seiner sechs Kinder.

An der Spitze des Landes Niedersachsen stand der Christdemokrat Albrecht von 1976 an insgesamt 14 Jahre lang. Am 13. Mai 1990, kurz vor seinem 60. Geburtstag, erlitt Albrecht seine erste Niederlage bei einer Landtagswahl. Er musste seinen Ministerpräsidenten-Sessel für SPD-Mann Gerhard Schröder räumen.

Bevor Albrecht zur Politik kam, war der Sohn einer Heidelberger Arztfamilie nach dem Diplom als Volkswirt bei der Europäischen Union in Brüssel als Generaldirektor beschäftigt. Zu Beginn seines politischen Wirkens in Niedersachsen wechselte er 1971 in die Chefetage des hannoverschen Bahlsen-Konzerns.

Ernst Albrecht bei der Niedersachsenwahl 1982, ganz links: seine Tochter Ursula. Bild: dpa

Mit einem Paukenschlag führte sich Albrecht Anfang 1976 in die höhere Politik der Bundesrepublik ein. Mitten in der Wahlperiode wurde er überraschend mit Hilfe immer von Überläufern aus dem SPD-Regierungslager zum ersten CDU-Ministerpräsidenten in Niedersachsen gewählt. Ende der 70er Jahre war er zeitweise Konkurrent von Franz-Josef Strauß als Anwärter der Union auf die Kanzlerkandidatur für 1980. Und er wurde gefeiert für seinen Einsatz für die „Boat People“ aus Vietnam. Im Winter 1978 war er einer der ersten, die den verzweifelten Flüchtlingen Hilfe anboten und sie nach Deutschland holten.

Albrecht stand im Lauf seiner Amtszeit etliche schwierige Situationen durch, etwa die Auseinandersetzungen um die Erkundung des Salzstocks in Gorleben als möglichem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll.

Auch die Affäre um das sogenannte „Celler Loch“ macht bundesweit Schlagzeilen. Der niedersächsische Verfassungsschutz sprengte 1978 ein Loch in die Außenmauer des Gefängnisses in Celle und täuschte einen Anschlag vor, angeblich um einen Informanten in die RAF einzuschleusen. Die wahren Hintergründe kamen erst Jahre später ans Licht, Albrecht verteidigte die unglaubliche Aktion dennoch und steckte dafür viel Kritik ein. Schon damals habe er sich gern aus der Politik zurückziehen wollen, hieß es später – doch angesichts der Krise der CDU habe er seine Partei nicht im Stich lassen wollen.

In seinen letzten Jahren wurde es dann still um ihn, Albrecht war nicht mehr geschäftsfähig. Seine Tochter verhinderte im Sommer 2012, dass ihr Vater vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen musste. Der Naturliebhaber lebte in seiner eigenen Welt. Sein späterer Amtsnachfolger Christian Wulff sagte einmal über ihn, er kenne jede Pflanze und jeden Vogel in seinem Garten persönlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    Sein Lächeln lebt weiter.