Ex-Kapitän Hönig über den Hamburger SV: „Mir geht das sehr nah“
Falls der HSV die Relegation der Fußball-Bundesliga erreichen sollte, treffen die Hamburger dort auf Holstein Kiel. Bubi Hönig hat in den 60er-Jahren beide Klubs geprägt.
taz: Herr Hönig, wie geht es Ihnen?
Franz-Josef Hönig: Ich lebe im Rheingau und bis auf kleine Wehwehchen geht es mir gut. Ich spiele immer noch Tennis.
Fiebern Sie noch mit dem HSV mit?
Hönig: Ich bin noch mit Uwe Seeler und anderen in Hamburg befreundet und hin und wieder im Stadion. Nach den Auftritten in dieser Saison hatte ich mich vor Monaten eigentlich innerlich schon verabschiedet. Aber mit der spielerischen Entwicklung unter dem neuen Trainer Christian Titz ist der alte HSV-Geist wieder spürbar und meine Liebe neu erwacht.
Und hat durch das O:3 bei Eintracht Frankfurt einen Dämpfer erhalten?
Hönig: Ja, ich bin sehr enttäuscht. Das war ein Rückfall in alte Strukturen. Ich habe den unbändigen Willen vermisst, das Spiel noch umzubiegen. Und das Spielglück ist auch verbraucht. Ich bin froh, dass ich nicht nach Frankfurt gefahren bin. Natürlich hoffe ich noch, dass der Relegationsplatz erreicht wird. Der VfL Wolfsburg ist im Augenblick die desolatere Mannschaft. Aber ich glaube nicht daran, dass die Wolfsburger sich die Chance gegen den Absteiger aus Köln nehmen lassen werden.
Sie sind in den Kindertagen der Bundesliga über Kiel nach Hamburg gekommen. Was hat Sie mit 21 Jahren aus dem Rheingau an die Küste verschlagen?
Hönig: Der damalige Holstein-Trainer Helmut Ullmann kannte mich aus der hessischen Junioren-Auswahl, wo er mich trainiert und wohl einen Narren an mir gefressen hatte. Ich hatte gerade meine Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen und Kiel lag für mich am Ende der Welt. Aber die Kieler ließen nicht locker, zeigten mir die schleswig-holsteinische Landschaft und machten mir ein gutes Angebot inklusive Lehrstelle bei der Landeskreditbank. Schließlich sagte ich zu und hatte trotz anfänglichem Heimweh drei wunderschöne Jahre dort. In der Zeit habe ich auf Sylt auch meine Frau kennengelernt, die aus der Nähe von Niebüll kommt.
Gleich in ihrem ersten Jahr wären Sie 1965 fast in die Bundesliga aufgestiegen.
Hönig: Wir waren Meister der Regionalliga-Nord, sind aber schwach in die Aufstiegsrunde gestartet. Entscheidend war das erste Spiel bei Borussia Mönchengladbach, das mit Stars wie Netzer, Heynckes und Vogts gespickt war. In der 92. Minute haben wir das 0:1 kassiert. Das Rückspiel haben wir dann 4:2 gewonnen, das war aber schon ohne Bedeutung.
Sie kamen zwei Jahre später mit dem Wechsel zum HSV doch noch in die Bundesliga.
75, startete seine Laufbahn beim FV 08 Geisenheim in Hessen. Ab 1965 spielte er bei Holstein Kiel, ab 1967 beim HSV. Dort war er Kapitän und liegt mit 62 Bundesliga-Toren auf dem sechsten Platz der ewigen Torschützenliste. 1974 ging er zum SV Wiesbaden. Nach Ende der Fußballerkarriere arbeitete er für Adidas.
Hönig: Ja, das war schon eine andere Dimension in dem Starensemble mit Uwe Seeler, Willi Schulz und den Dörfel-Brüdern. Ich hatte natürlich großen Respekt, aber sie haben es mir leicht gemacht, da gab es keine Privilegien.
Besonders in Erinnerung geblieben ist das Finale im Europapokal der Pokalsieger gegen den AC Mailand in Rotterdam 1968.
Hönig: Ja, das war extrem. Beim 3:2 im Halbfinale in Cardiff habe ich zwei Tore geschossen, das Entscheidende in der 91. Minute. Und im Finale gegen den AC Mailand, das wir durch zwei Tore von Kurt Hamrin mit 0:2 verloren, war mein Gegenspieler Giovanni Trapattoni, der spätere Bayern-München-Trainer. Anschließend sind wir von einem Reeder eingeladen worden und mit dem Schiff von Southampton bis Cuxhaven gefahren, wo wir mit einem Riesenempfang begrüßt wurden.
Worin sehen Sie jetzt die Gründe für den Niedergang des Klubs?
Hönig: Ich unterhalte mich noch oft mit Uwe Seeler darüber. Es sind über die Jahre viele gravierende Fehler in der Mannschaftsstruktur und bei den Einkäufen gemacht worden. Auch im Trainer-, Management- und Scoutingbereich wurden dermaßen schlechte Einkäufe getätigt, dass sich nach und nach ein Abwärtsstrudel gebildet hat.
Es gibt Stimmen, die einen Abstieg sogar als Chance zum Neuanfang sehen.
Hönig: Davon halte ich überhaupt nichts. Glauben Sie ja nicht, dass es einfach ist, sofort wieder aufzusteigen. Dazu kommt, dass den Verantwortlichen aus finanziellen Gründen bei Neueinkäufen die Hände gebunden sind. Sie müssen versuchen, über günstige, junge Leute ein neues Konstrukt zu entwickeln. Außerdem wäre ein Abstieg eine Katastrophe für die Infrastruktur in Hamburg, für die Hotels und die Restaurants zum Beispiel.
Befürchten Sie, dass der HSV nach einem Abstieg ganz in der Versenkung verschwinden könnte?
Hönig: Nein, dafür ist das Fanpotenzial zu groß. Mir geht es sehr nah, wenn ich jetzt sehe, wie die Fans weinen, besonders die Kinder.
Wenn sich der HSV doch noch in die Relegation rettet, trifft er dort wahrscheinlich auf Holstein Kiel … Was dann?
Hönig: Dann komme ich persönlich nach Kiel oder Hamburg – aber ganz klar mit der Hoffnung, dass der HSV sich durchsetzt. Meine sieben Jahre dort waren sportlich doch prägender für mich als die Zeit in Kiel. Außerdem weiß ich nicht, ob Holstein heute das wirtschaftliche Potenzial hat, in der 1. Bundesliga zu bestehen. Aber wenn Kiel aufsteigt, ohne den HSV dafür schlagen zu müssen, wäre ich natürlich trotzdem begeistert.
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