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Ex-Kanzlerin Angela Merkel in HamburgKurzes Nachdenken bei der Frage „Habeck oder Merz?“

Altkanzlerin Angela Merkel fliegen bei einem Auftritt in Hamburg die Herzen zu. Noch glücklicher wären die Menschen, wenn sie ihrer Partei nicht so treu wäre.

Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Hamburg am 5. Februar Foto: Fabian Bimmer/reuters

Hamburg taz | Alle freuen sich über Angela Merkel. Dafür muss sie nicht viel tun. Es reicht, beim Aussteigen aus dem Auto zu winken und dass sie so aussieht, wie man sie sich vorstellt. „Blauer Blazer, wie auf dem Buch“, sagt Maike Dethert, 54, strahlt und hält zum Beweis ihre Ausgabe vom 700-Seiten-Wälzer „Freiheit“ hoch, die ihr die Bundeskanzlerin a. D. gerade unterschrieben hat.

Es ist Mittwochnachmittag, und ­Angela Merkel tritt heute zum ersten Mal öffentlich auf, seit sie Friedrich Merz dafür kritisiert hat, dass die Union über ihren Gesetzentwurf zur Migrationspolitik gemeinsam mit der AfD gestimmt hat. Noch hat Merkel dazu nichts gesagt. Sie ist damit beschäftigt, ihren Namen in ihr Buch zu schreiben. Es ist Signierstunde in der Buchhandlung Felix Jud in der Hamburger Innenstadt. Dafür stehen Menschen bis zur nächsten Straßenecke an.

Am Abend betritt Merkel die Bühne des Schauspielhaus Hamburg. Sie wirkt. Das Publikum johlt, lacht und klatscht. Sie ist auf Einladung der Zeit gekommen. Es geht natürlich auch um Merz – und Merkel steht zu ihrer Kritik. Zufallsmehrheiten mit der AfD dürfe es nicht geben, sagt sie. „Das ist eine Partei, die die Grundlage unseres Zusammenlebens abschaffen will“, sagt Merkel und kriegt ausführlichen Applaus.

Bei der Entscheidungsfrage „Robert Habeck oder Friedrich Merz?“ lacht das Publikum, aber Merkel bleibt ernst und denkt kurz nach. Dann macht sie eine Handbewegung und sieht kurz ein bisschen ärgerlich aus: „Merz!“ Der CDU traue sie in Wirtschaftsfragen mehr zu. Das Publikum schweigt – zum ersten Mal.

Es wirkt enttäuscht. Irgendwie hat Merkel eine Superkraft. Sie ist witzig und charmant und – zack – Menschen wollen vergessen, in welcher Partei sie ist. Dabei sagt sie es selber mehrmals an diesem Abend: „Ich bin CDU-Mitglied“ („auch wenn die Partei mir manchmal Schmerzen bereitet“). Und sie sagt CDU-Sachen. Sie zählt auf, was sie in ihrer Kanzlerinnenschaft gegen „irreguläre Migration“ unternommen hat. Sie verteidigt das Migrationsabkommen der EU mit der Türkei. Sie will für die 20 Prozent der AfD nicht verantwortlich sein.

Ganz am Ende fragt noch jemand: „Warum sind Sie so wenig selbstkritisch?“, und eine einsame Person klatscht im Parkett. Vielleicht wäre das auch eine Frage ans Publikum?

Mitarbeit: Sabrina Bhatti

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1 Kommentar

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  • Gute Frage! Grade an‘s Publikum. Allerdings ist die Antwort ähnlich vorhersehbar wie die Antwort Angela Merkels auf die Merz-oder-Habeck-Frage. Zumindest, wenn sie ehrlich ist, die Antwort: It’s the competitiveness, Stupid!

    Wer besser sein will als andere, darf sich keine Blöße geben. Selbstkritik untergräbt die Gewinnchancen. Zumindest gefühlt. Sie schwächt den Glauben an die eigne Superpower und kann irritieren. Lange genug, jedenfalls, um die Konkurrenz locker vorbeiziehen zu lassen. Die schläft nämlich nicht nur nicht. Sie ist auch ziemlich geübt in Sachen (Selbst-)Betrug.

    Übrigens ist mir eine Merkel in der CDU sehr viel lieber als ein Habeck bei den Grünen. Frau Merkel ist so etwas wie das linke Gewissen der Union. Herr Habeck ist eher ein trojanische Pferd der Rechten bei den Grünen. Und momentan finde ich einfach, dass rechts der Union schon genug Tumult herrscht. Auch, wenn die Grünen da nicht mitmischen.

    Die Grünen werden eher links von Frau Merkel gebraucht. Ich meine: Wenn man nicht will, dass die Balance komplett flöten geht. Einparteien-Systeme sind Mist. Wenn ich etwas gelernt habe, dann ist es das: Demokratien ohne starke Opposition sind Vorstufen der Diktatur.