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Ex-Arcandor-Chef im ZeugenstandThomas Middelhoff schweigt

Der frühere Topmanager tritt als Zeuge beim Prozess gegen die einstigen Chefs des Bankhauses Sal. Oppenheim in Köln auf - und hält sich bedeckt.

Hat sich womöglich verflogen: Thomas Middelhoff. Bild: ap

KÖLN taz | Es war ein schweigsamer Auftritt. Eineinhalb Stunden dauerte die Stippvisite Thomas Middelhoffs im Saal 210 des Landgerichts Köln. Doch viel mehr als seine Personalien - er wohnt jetzt in Saint Tropez – gab der am Montag als Zeuge im Strafprozess gegen die ehemalige Führung des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim geladene Ex-Arcandor-Chef nicht preis.

Zumindest versuchen wollte es Sabine Grobecker. Tapfer arbeitete die Vorsitzende der 16. Großen Strafkammer ihren Fragenkatalog ab. Warum er 2005 vom Aufsichtsratsvorsitz auf den Chefposten des todgeweihten Handelskonzerns Arcandor gewechselt sei? Welche Gründe gab es für sein Ausscheiden Anfang 2009? Wie war sein Kontakt zum Bankhaus Sal. Oppenheim?

Stets bekommt sie von Middelhoff, der heute für einen New Yorker Hedgefonds-Berater arbeitet, die gleiche, sprich: keine Antwort. Aufgrund eines gerade erschienenen Artikels im Focus mache sein Mandant von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, sagte Anwalt Winfried Holtermüller. „Ich wollte hier heute aussagen“, tat Middelhof treuherzig. „Definitiv.“ Das kann man glauben. Muss es aber nicht.

Der Prozess läuft seit gut einem Jahr. Angeklagt sind einstige Führungsmitglieder des Bankhauses Sal. Oppenheim sowie der Immobilienentwickler Josef Esch. Mit zwielichtigen Immobiliengeschäften und Spekulationen mit der Arcandor-Aktie sollen sie gemeinsam die einst größte Privatbank Europas in den Ruin getrieben haben. Nach einem Milliardenverlust war das 200 Jahre alte Traditionshaus Anfang 2010 von der Deutschen Bank übernommen worden. Die Mitarbeiterzahl reduzierte sich seitdem von 4.000 auf 600.

Oberstaatsanwalt reagiert verschnupft

Middelhoff war mit Spannung erwartet worden. Denn mit den Angeklagten war er vielfältig geschäftlich – und privat – verbunden. Esch war persönlicher Vermögensverwalter des heute 60-Jährigen. Obwohl gleich mehrere Verfahren gegen Middelhoff im Zusammenhang mit seinem desaströsen Arcandor-Engagement laufen, hatte er sich im Vorfeld zur Aussage bereit erklärt. Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich reagierte auf den Meinungswechsel des gut gebräunten Zeugen verschnupft: „Unverschämtheit“. Middelhoffs Begründung für die karge Auskunftsbereitschaft sei „erbärmlich und unglaubwürdig“. Es sei schade, „dass es keine Missbrauchsgebühr gibt“.

Tatsächlich referierte die Focus-Story nur einen Zwischenbericht der Bochumer Staatsanwaltschaft über die seit 2009 laufenden Ermittlungen gegen Middelhoff wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung. Daneben läuft noch ein weiteres Ermittlungsverfahren der Kölner Staatsanwaltschaft. Dabei geht es um die Frage, warum die Oppenheim-Bosse Middelhoff nach seiner Ablösung als Arcandor-Chef mit einem millionenschweren Beratervertrag versorgten.

Zunächst will die Bochumer Staatsanwaltschaft Middelhoff wegen Untreue und Steuerhinterziehung den Prozess machen. An diesem Dienstag beginnt dazu vor dem Landgericht Essen die Hauptverhandlung. Vorgeworfen wird dem Manschettenknopfträger, Charterflüge über Arcandor abgerechnet zu haben, obwohl sie privaten Zwecken dienten. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Gesamtschaden von 945.000 Euro aus. Wie auch seine 33-Meter-Yacht „Medici“, für die er 72.000 Euro Unterhalt pro Monat zu zahlen hatte, gehörte die von ihm genutzte Charterfirma "Challenge Air" seinen einstigen Oppenheim-Buddys Matthias Graf von Krockow und Josef Esch. So schließt sich der Kreis. Middelhoff kündigte an, sich umfassend äußern zu wollen. Diesmal ganz wirklich.

Am Dienstag beginnt ein weiterer Prozess wegen Untreue und Steuerhinterziehung

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2 Kommentare

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  • "Ex-Arcandor-Chef vor Gericht

    Middelhoff streitet Vorwürfe ab…"

     

    wie - war das noch mal - ?

    Hund beißt Mann - is keine Meldung;/)

  • So ist das hier mit den "Leistungsträgern". Vor lauter Strafverfahren kommen die erst gar nicht zum Arbeiten. Die Schwerfälligkeit des Justizapparates spielt ihnen dabei letztlich permanent in die Hände.