Evaluation der Corona-Regeln: Unsichere Datenbasis

Eine Anfrage der Linkspartei macht klar: Drei Monate nach dem Lockdown weiß die Bundesregierung wenig zur Wirkung ihrer Corona-Verordnungen.

gelbe Markierungen und 6 Ausschnitte von Schuhen

Abstandsmarkierungen in einer Ausstellung: Was daraus folgt, weiß die Bundesregierung nicht so genau Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin taz | Kontaktsperren, Schulschließungen, Arbeits-, Versammlungs- und Reiseverbote: Mitte März griff die Bundesregierung im Kampf gegen die Coronapandemie zu Maßnahmen, die die Grundrechte ihrer BürgerInnen in nicht gekannter Weise einschränkten. Jetzt, drei Monate später, sind viele der Auflagen zwar erheblich gelockert. Doch wie sie im Einzelnen gewirkt haben, das weiß die Bundesregierung bis heute nicht. So jedenfalls schreibt sie es in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken.

Deren Abgeordnete Ulla Jelpke wollte wissen, über welche Datenbasis die Regierung inzwischen verfügt, um bewerten zu können, welche Maßnahmen wie wirkungsvoll waren – und wie verhältnismäßig. „Politisch relevant“, so Jelpke zur taz, seien diese Fragen auch heute noch, da nicht auszuschließen sei, „dass im Zuge einer ‚zweiten Welle‘ die Eindämmungsmaßnahmen wieder verschärft werden.“

Doch Klarheit fehlt. Die Regierung antwortet schwammig auf die Frage, auf Basis welcher wissenschaftlichen Erkenntnisse sie die Maßnahmen beschloss: „In einer Situation, in der weder ein Impfstoff noch eine Arzneimitteltherapie vorhanden sind, ergab eine Gesamtbetrachtung, dass mehrere gleichzeitige, nicht pharmakologische Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen sind.“

Eine Evaluierung dieser Maßnahmen hat bis heute indes offenbar nicht stattgefunden. Hierzu heißt es lediglich: „Die Bundesregierung hat sich intensiv mit Expertinnen und Experten beraten und in ihre Entscheidungsfindung einschlägige Studien und internationale Erfahrungen einbezogen.“ Passen muss die Regierung auch auf Fragen nach der Wirkung von Geschäftsschließungen sowie des Betriebsverbots von Gast- und Sportstätten, Gottesdiensten und Reisebussen.

Vage Antworten

Auf die Frage etwa, weshalb Reisebusse ab Mitte März nicht mehr fahren durften, Züge und Flugzeuge aber schon, teilt die Regierung nur mit: „Hintergrund der vereinbarten Leitlinien vom 16. März 2020 war, dass Fahrten ohne dringenden Reisegrund nicht mehr stattfinden sollten. So sollten nach Sinn und Zweck Reisebusfahrten, da sie häufig primär touristischen Zwecken dienen, unterbleiben.“

Auch eine Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Versammlungsfreiheit und möglichen milderen Mitteln ist in der Antwort nicht erkennbar. Lapidar heißt es hierzu: „Dieser Abwägung lag zugrunde, dass der Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger für die Bundesregierung eine besonders hohe Bedeutung hat.“

Jelpke reicht dies nicht zur Begründung. Sie erwarte von der Regierung, „umgehend Forschungen zu veranlassen, um herauszufinden, welchen konkreten Beitrag die einzelnen Maßnahmen des Lockdowns jeweils zur Eindämmung der Pandemie geleistet haben“. Grundrechtseinschränkungen dürfe es nur geben, sofern sie verhältnismäßig seien. „Da reicht es auf Dauer nicht, auf Nummer sicher zu gehen. Sonst geht der Gesundheitsschutz unnötig zu Lasten der Demokratie.“

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