Evakuierung aus vier Orten Syriens: 24.000 Menschen in 105 Bussen
Überwiegend Schiiten verlassen die syrischen Städte. Der Regierung wird vorgeworfen, diese Orte ausgehungert und bombardiert zu haben.
Damaskus dpa | Nach mehrtägiger Verzögerung hat in Syrien der Abzug Tausender Menschen aus vier von Regierungskräften und Rebellen belagerten Orten begonnen. Damit wird ein Abkommen umgesetzt, das nach Medienberichten vom Iran und von Katar vermittelt worden war. Die Opposition kritisiert die Einigung als Zwangsbevölkerungsaustausch.
60 Busse verließen am Freitagmorgen die beiden von regierungstreuen Kräften belagerten Orte Madaja und Sabadani nahe der Grenze zum Libanon, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Sie werden demnach in die von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Nordwesten des Bürgerkriegslandes transportiert.
Zugleich hätten 45 Busse die ersten Einwohner aus den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kafraja gebracht, hieß es weiter. Beide Orte werden vor allem von Schiiten bewohnt, die in Syrien eine Minderheit sind. Insgesamt sollen Berichten zufolge rund 20.000 Menschen Madaja und Sabadani verlassen sowie 4.000 Fua und Kafraja.
In den vergangenen Monaten sind nach Abkommen zwischen Regierung und Rebellen bereits mehrere von der Regierung belagerte Orte evakuiert worden. Die Opposition wirft den Regierungskräften vor, diese Gebiete durch Aushungern und Bombardierungen zur Aufgabe gezwungen zu haben.
Leser*innenkommentare
Maike123
Prinzipiell spricht nichts dagegen, eingekesselte Zivilisten in friedliche Gebiete zu evakuieren, um ihr Leben zu verschonen.
Aber was ist mit den gläubigen Bewohnern von Mosul und Rakka? Wohin sollen die evakuiert werden, wenn ihre Welt, der IS, zerstört wird?
Den Begriff Zwangsbevölkerungsaustausch sollte man übrigens nicht verwenden, weil der verdächtig an Nazirethorik erinnert ("Umvolkung").
Werner W.
"Den Begriff Zwangsbevölkerungsaustausch sollte man übrigens nicht verwenden, weil der verdächtig an Nazirethorik erinnert ("Umvolkung")."
Das wäre im vorliegenden Fall aber nicht ganz falsch, daß die Assad Regierung faktisch eine Politik der Vertreibung oppositioneller Bevökerungsgruppen verfolgt. Und es gibt eben Fälle von Ansiedlung schiitischer Gruppen aus Syrien und Iran.
Wenn es Ihnen lieber ist, könnte man auch von ethnischen Säuberungen sprechen. Wobei das im Kern eigentlich noch brutaler und noch näher an den tatsächlichen Handlung der Nazis ist, die sich überwiegend nicht damit begnügt haben, unliebsame Gruppen einfach "nur" zu vertreiben.
warum_denkt_keiner_nach?
Assad hat sich eigentlich vorgenommen, ganz Syrien zurück zu erobern. Falls ihm das gelingt, wird er die Leute also wiedertreffen. Für eine ethische Säuberung ist das nicht besonders effektiv. Ich denke, es geht vor allem um Frontbegradigungen. Die vielen kleinen Gebiete, die die Kriegsparteien gegenseitig belagern und deren Versorgung binden Kräfte, die anders effektiver eingesetzt werden könnten. Leere Ortsschaften braucht man dagegen erst einmal nicht zu bewachen.
Für mich sieht es so aus, als würden sich beide Seiten für den nächsten Kriegsabschnitt (den Endkampf?) in Stellung bringen. In wie fern ethnische Säuberungen dahinter stecken, werden wir wohl erst mit Sicherheit sagen können, wenn die Menschen nach dem Krieg nach Hause wollen und dann vielleicht nicht dürfen.
Werner W.
@warum_denkt_keiner_nach? Assad hat schon klar gesagt, daß diejenigen die das Land verlassen haben, nicht wieder aufgenommen werden.
warum_denkt_keiner_nach?
"Aber was ist mit den gläubigen Bewohnern von Mosul und Rakka? Wohin sollen die evakuiert werden, wenn ihre Welt, der IS, zerstört wird?"
Für solche Aktionen benötigt man Absprachen. Der IS verhandelt nicht.
MontNimba
Ich bitte darum, die irreführende erste Zeile zu ändern! Gerade im derzeitigen Informationswirrwarr wirkt sie wie Meinungsmache, da ja eher das Gegenteil korrekt ist. Danke!
"Überwiegend Schiiten verlassen die syrischen Städte. Der Regierung wird vorgeworfen, diese Orte ausgehungert und bombardiert zu haben."
warum_denkt_keiner_nach?
"Die Opposition wirft den Regierungskräften vor, diese Gebiete durch Aushungern und Bombardierungen zur Aufgabe gezwungen zu haben."
Und die von den Rebellen belagerten Orte werden geräumt, weil die Menschen dort wegen der üppigen Ernährung zu platzen drohten...
Warum kann man sich nicht einfach mal freuen, dass 20.000 Menschen etwas weniger unter dem Krieg leiden werden?