Eurovision Song Contest: An Europa erschöpft
Nach Polen, Tschechien, Bosnien und Slowakei verzichtet auch Portugal auf die Teilnahme beim Eurovision Song Contest. Wegen der Krise. Oder sind sie beleidigt?
RTP, der öffentlich-rechtliche Sender Portugals, erklärte seinen Verzicht auf die Teilnahme am 58. Eurovision Song Contest (ESC) Mitte Mai im schwedischen Malmö. Der Grund ist der gleiche, den auch die entsprechenden TV-Anstalten in Prag, Warschau, Sarajewo und Bratislava nannten. In Krisenzeiten müsse man sparen!
Eine Ausrede, nichts weiter. Portugal scheint frustriert, weil kein Land so schlecht abschnitt wie dieses am westlichen Saum Europas gelegene. Es wusste sich nie popästhetisch in andere Länder hinein mitzuteilen – und erntete für die ewige Litanei aus fadoistischem Depressionsgesang und aufgetriedelter Pseudoheiterkeit stets nur wenige Punkte, eine gute Platzierung nie.
Ein Schicksal, das auch die Slowakei und Polen teilen: Lieder, die es zuletzt nie ins Finale der Show schafften. Auch diese Länder zeigten sich in den vergangenen Jahren hartnäckig unbegabt, in anderen Ländern mehr als nur folkloristisch-banalen Eindruck zu hinterlassen. Eurovision Song Contest – das heißt aber traditionell, mehr als nur das eigene Publikum für sich einzunehmen.
Eben das hatte die Türkei meist geschafft. Kein Land war in den vergangenen Jahren erfolgreicher. Doch der türkische Sender TRT teilte ebenfalls mit, nicht nach Malmö reisen zu wollen. Warum? Durch eine kleine Regeländerung bekam die Türkei aus Ländern mit hohem türkischen Migrationsanteil nicht mehr automatisch volle zwölf Punkte, etwa aus Deutschland.
Ein Land des Beleidigtseins, obwohl es voriges Jahr in Baku den siebten Platz belegte? Könnte sein. Sicher ist: Die den ESC veranstaltende European Broadcasting Union (EBU) will den Sender TRT dazu bewegen, doch noch zu dem Spektakel des europäischen Massenentertainments anzureisen – ein Land mit fast 75 Millionen Einwohnern ist ein Schwergewicht in der EBU.
Trotzdem: 39 Länder werden nach Malmö anreisen. Und: Pausen haben sich schon viele Länder gegönnt, aus welchen Gründen auch immer. Europäisierung, also Interesse am Kulturellen, das zunächst fremd scheint, ist nach wie vor wohl schwierig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin