Europäisches Zentrum für Menschenrechte: Menschenrechtsorganisation verklagt Energiekonzern Total
Von dem Konzern mitfinanzierte mosambikanische Soldaten sollen 2021 auf einem Total-Gelände Dorfbewohner schwer misshandelt haben. Nun wurde gegen den Konzern Klage eingereicht.
Das Europäische Zentrum für Menschenrechte (ECCHR) hat eine Klage gegen den Energiekonzern Total eingereicht. Der Vorwurf: „Beihilfe zu Kriegsverbrechen, Folter und Verschwindenlassen“ in Mosambik. Das französische Unternehmen soll „zwischen Juli und September 2021 mutmaßlich Dutzende Zivilisten auf dem Gasfördergelände von TotalEnergies festgenommen, gefoltert und getötet“ haben, schreibt das ECCHR in einer Erklärung. Die Klage wurde an die französische Staatsanwaltschaft (PNAT) übergeben, die neben der Anti-Terror-Bekämpfung auch das Mandat hat, internationale Verbrechen zu untersuchen.
Der Vorfall war im September 2024 von Journalisten der US-Tageszeitung Politico aufgedeckt worden und ist unter dem Begriff „Container-Massaker“ bekannt geworden. Wie Reporter vor Ort recherchierten, waren Hunderte Bewohner eines Dorfes nach einem Angriff der Islamistischen Miliz im April 2021 in Richtung der Gasförderanlage geflohen, die Total im Norden des Landes auf einer Halbinsel nahe des Ortes Palma unterhält.
Das Gelände wird unter anderem von Soldaten der Armee Mosambiks bewacht, die von Total bezahlt und ausgestattet werden und auf dem Gelände leben. „Nachdem (die Dorfbewohner) aus ihren Häusern geflohen waren, suchten sie Schutz bei Regierungssoldaten. Stattdessen erlebten sie schieren Horror“, schrieb Politico.
Den Recherchen zufolge wurden die Dorfbewohner von den Soldaten sortiert: Frauen und Kinder brachten sie separat unter. Rund 200 Männer, die von den Soldaten als Kollaborateure der Miliz betrachtet wurden, wurden in Schiffscontainer eingesperrt und dort brutal misshandelt. Nach drei Monaten Misshandlungen, mit nur wenig Sauerstoff und Nahrung in den Containern überlebten nur 26 Männer.
Umstrittene Konzern-Aktivitäten
Die Total-Investitionen in Mosambik waren von vorne herein umstritten. Denn die größte Gasförderanlage Afrikas entstand in einem unsicheren Gebiet entlang der Küste des Indischen Ozeans. In dieser Provinz, Cabo Delgado, der ärmsten Region des Landes ganz im Nordosten entlang der Grenze zu Tansania, herrscht seit 2017 ein grausamer Konflikt. Um die Total-Investitionen im Umfang von 20 Milliarden US-Dollar zu schützen, verlässt sich Total auf Soldaten einer Armee, die bereits zuvor für Menschenrechtsverletzungen bekannt war.
In Mosambik selbst wie auch in Frankreich wurden zu diesem Vorfall bereits Ermittlungen eingeleitet. Die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft (PNAT) hat den Erhalt der ECCHR-Klage bestätigt und zugesagt, ihr nachzugehen.
Das Flüssiggasprojekt war nach der Miliz-Attacke zeitweilig eingestellt worden. Total gibt an, dass alle seine Mitarbeiter von April bis November 2021 – also im Zeitraum, als das Massaker geschah – evakuiert gewesen seien. „Bevor TotalEnergies vom Autor dieses Artikels kontaktiert wurde, hatte das Unternehmen keinerlei Informationen über die im Artikel beschriebenen angeblichen Ereignisse erhalten“, so die Stellungnahme des Konzerns.
Geplante Wiederaufnahme
Ende Oktober wurde bekannt, dass Total nun die Wiederaufnahme des Projekts anpeilt. Es gebe Pläne, die Förderung im Jahr 2029 wieder zu starten, allerdings mit Zusatzkosten von zusätzlichen vier Milliarden US-Dollar, so der Konzern.
Ob dies tatsächlich geschieht, ist nun fraglich. „Unternehmen und ihre Führungskräfte sind keine neutralen Akteure, wenn sie in Konfliktgebieten tätig sind“, so Clara Gonzales, zuständig für Wirtschaft und Menschenrechte beim ECCHR. Sie stellt klar: „Wenn sie Verbrechen ermöglichen oder anheizen, könnten sie sich mitschuldig machen und sollten zur Rechenschaft gezogen werden.“
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