Europäische Schuldenkrise: Rettungsschirm mit Hebel
Der europäische Rettungsschirm EFSF soll in eine Versicherung für klamme Euro-Staaten verwandelt werden. So könnte der Fonds auf bis zu zwei Billionen Euro wachsen.
BERLIN taz | Die Reichweite des Europäischen Rettungsfonds EFSF soll offenbar ausgedehnt werden. Darauf sollen sich Deutschland und Frankreich Berichten zufolge im Vorfeld des EU-Gipfels am Wochenende geeinigt haben. Denn mit seinem Kreditvolumen von derzeit 440 Milliarden Euro ist der Fonds viel zu klein für Krisenländer wie Italien oder Spanien.
Doch mehr Geld bekommt der EFSF nicht. Schon die jüngste Ausweitung der Staatsbürgschaften, die für das Bereitstellen der 440 Milliarden Euro erforderlich sind, war nur mühsam durch die nationalen Parlamente zu bekommen.
Das Zauberwort heißt "Hebelwirkung". Die Idee: Die EFSF-Gelder sollen als eine Art Kaskoversicherung genutzt werden. Wer künftig beispielsweise eine Anleihe des spanischen Staats kauft, könnte vom EFSF eine Garantie über 20 Prozent des Wertes erhalten. Sollte also ein Schuldenschnitt in dieser Höhe beschlossen werden, erleidet der Käufer der Anleihe keine Verluste, weil der Fonds dafür einsteht.
Nun, so die Hoffnung der Politiker, würden Investoren unbesorgt spanische Staatsanleihen in Höhe von, sagen wir, 100 Millionen Euro kaufen, obwohl der Fonds nur für 20 Millionen bürgt. Sie würden nicht mal einen hohen Zinsaufschlag verlangen, weil sie ja nun ein viel geringeres Risiko eingehen.
Wunderbare Geldvermehrung
Statt nur 20 Millionen Euro direkt vom Fonds könnte sich der klamme spanische Staat dem Plan zufolge also zu günstigen Zinsen 100 Millionen auf dem Kapitalmarkt besorgen. Das käme somit einer wunderbaren Geldvermehrung um den Faktor fünf gleich. Das ist der Hebel, mithilfe dessen die Reichweite des Fonds gestreckt werden soll.
Unklar ist allerdings bislang, welchen Umfang die Versicherung haben soll. Handelt es sich um eine Streckung auf zwei Billionen Euro, wie der britische Guardian berichtet, oder auf nur eine Billion, wie die Financial Times Deutschland erfahren haben will? Vonseiten der Politik wurden alle konkreten Zahlen dementiert.
Opposition fordert Bundestagsabstimmung
Auf den Finanzmärkten rief der Plan jedoch bereits Entzücken hervor. Trotz der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens durch die Ratingagentur Moodys und trotz der Sorgen um die Bonität Frankreichs legten Aktienkurse ebenso zu wie der Kurs des Euro. Dennoch ist Skepsis angebracht. Der Fall etwa, dass Spanien zahlungsunfähig wird und seine Schulden gar nicht mehr bedient - so wie einst Argentinien - ist in dem Plan nicht vorgesehen.
Ob sich Investoren angesichts dieses Risikos mit einer Absicherung von 20 oder auch 30 Prozent der Schulden zufriedengeben, steht in den Sternen. Auch im Bundestag könnte sich Widerstand regen angesichts des höheren Risikos, das mit der höheren Kreditsumme einhergehen dürfte. Bei der Opposition werden schon Forderungen laut, das Ganze dann dem Bundestag erneut zur Abstimmung vorzulegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich