Europäische Geheimdienstkooperation: Die großen Ohren im Norden

Spione vieler Länder sollen zusammengearbeitet haben. Eine zentrale Rolle spielt dabei Schweden, durch dessen Gebiet mehrere wichtige Kabel verlaufen.

Wurden gern angezapft: Telefon- und Internetverbindungen. Bild: ap

STOCKHOLM taz | „Das geht gar nicht!“ Warum war ein solcher Satz aus Stockholm nicht zu hören? Warum hält sich die schwedische Regierung so bedeckt, was Kritik an den Überwachungsaktivitäten der USA angeht? Darüber wunderten sich in der vergangenen Woche ParlamentarierInnen der schwedischen Grünen. In der Samstagausgabe des britischen Guardian dürften sie einige Antworten gefunden haben.

Dort wurde unter Bezug auf Informationen aus dem Fundus Edward Snowdens behauptet, dass neben den Diensten Großbritanniens, Deutschlands, Spaniens und Frankreichs vor allem die schwedischen Geheimdienste eine zentrale Rolle bei der Überwachung des internationalen Telefon- und Internetverkehrs spielen. Der Guardian zitiert ein Dokument, in dem der britische Geheimdienst GCHQ den schwedischen Militärgeheimdienst FRA (Försvarets Radioanstalt) ausdrücklich für technische Lösungen lobt, die die Massenüberwachung erleichtere. In anderen Papieren rühmt sich GCHQ, den Schweden bei beim Anzapfen von Glasfaserkabeln geholfen zu haben.

Über schwedisches Territorium verlaufen mehrere internationale Ost-West-Kabel. Darin wird etwa ein Großteil des Telefon- und Internetverkehrs mit Russland abgewickelt. Schweden spiele ähnlich wie Israel eine wichtige Rolle im weltweiten Überwachungssystem der USA, sagt der britische Journalist Duncan Campbell: „Es kontrolliert die Kabel durch die Ostsee, Israel hat Zugang zu denen im Östlichen Mittelmeer.“

Zwischen Stockholm, London und Washington gebe es eine enge Zusammenarbeit, bei der Schweden den Codenamen „Sardine“ führe. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit sei das 2008 verabschiedete „FRA-Gesetz“ gewesen. Mit diesem hatte FRA die Befugnis erhalten, alle grenzüberschreitende kabelgebundene Kommunikation zu überwachen, zu speichern und zu analysieren.

Probleme? Nein, wieso?

Es bedarf dazu keines richterlichen Beschlusses und keiner Verdachtsmomente für eine mögliche Straftat. Laut Campbell war dieses Gesetz mit dem im gleichen Jahr in den USA verabschiedeten Auslandsaufklärungsgesetz FISA Amendments Act abgestimmt worden.

Die Stockholmer Regierung betonte damals, es gehe nur um eine begrenzte Überwachung im Interesse der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung. Aber jetzt scheint man auch in wahlloser Massenüberwachung keine Probleme zu sehen. Regierungschef Fredrik Reinfeldt wandte sich zwar gegen die Einschätzung von Campbell, die FRA sei ein „Unterlieferant der NSA“, bestätigte aber eine umfassende Zusammenarbeit: Das sei normal, und das müsse man, um „Schwedens Unabhängigkeit zu garantieren“.

Man habe „eine gute Gesetzgebung und gute Kontrollfunktionen“, erklärte er. KritikerInnen halten das Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste allerdings für wenig effektiv. Am Freitag wird es im Schwedischen Reichstag eine von der Linkspartei beantragte Parlamentsdebatte geben; die Grünen fordern die Abschaffung des FRA-Gesetzes.

Solange Stockholm nicht klarmache, „ob man irgendwelche Grenzen für das setzt, was man weiterleitet und an wen“, müsse man davon ausgehen, dass alle Kommunikation, die über Schweden laufe, in Großbritannien und den USA lande und von dort „an wen auch immer“ weitergereicht werde, meint der Journalist Campbell.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.