Europa und der Gaza-Krieg: Unerwünschter Redner
Dem britisch-palästinensischen Chirurgen Ghassan Abu Sitta wurde in Frankreich die Einreise verweigert – so wie im April in Deutschland.
Mitte April war er bereits in Deutschland am Flughafen in Berlin an der Einreise gehindert worden. Er hätte damals auf dem umstrittenen Palästina-Kongress in Berlin sprechen sollen, der von der Polizei aufgelöst und verboten wurde. Als Motiv für das französische Einreiseverbot wurde nun auf den deutschen Entscheid vom 12. April verwiesen, Abu Sitta wie andere Gastredner aus nicht einreisen zu lassen.
Ein französischer Beamter sagte der Nachrichtenagentur AP zufolge, Abu Sitta sei abgewiesen worden, weil ihm die Einreise in alle Länder des Schengen-Raums aufgrund eines deutschen Ersuchens verwehrt worden sei. Der französische Beamte, der gemäß der Regierungspolitik nicht öffentlich genannt werden darf, wollte keine Einzelheiten oder weitere Informationen nennen. Das Präsidentenamt im Elysée-Palast erklärte hingegen, über den Vorgang nicht informiert zu sein.
Ghassan Abu Sitta hatte am Samstag auf X geschrieben, dass er nicht wie vorgesehen bei einer Konferenz im französischen Senat sprechen könne, weil er von Deutschland für ein Jahr aus der gesamten EU „verbannt“ worden sei.
Das Einreiseverbot wirft Fragen auf
Ghassan Abu Sitta war aufgrund seiner humanitären Tätigkeit als Arzt in Gaza in der Zeit nach dem 7. Oktober und bis Mitte November von einer Senatorin der französischen Grünen als Augenzeuge zu einer Konferenz über das Völkerrecht eingeladen worden. Das Thema der Debatte war: Respektiert Frankreich das internationale Recht?
Abu Sitta war während des Krieges mit einer Delegation der Organisation Ärzte ohne Grenzen als Chirurg in Gaza gewesen und hatte in Interviews mit internationalen Medien geschildert, unter welchen Bedingungen er als Chirurg in den Krankenhäusern al-Schifa und al-Ahli operieren musste: unter äußerst prekären hygienischen Bedingungen und oft ohne Narkose und Schmerzmittel für die schwerverletzten Patienten, bei denen es sich um Opfer der israelischen Bombardierungen des Gazastreifens handelte. Im Januar hatte er diesbezüglich auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgesagt.
Vor dem Senat in Paris aber scheinen seine Darstellungen nicht erwünscht zu sein. Oder hatten ihn die schlecht informierten französischen Grenzpolizisten womöglich mit dem (allerdings viel älteren) Historiker Salman Abu Sitta verwechselt? Der war im April ebenfalls nicht als Gastredner in Berlin zugelassen worden und hatte dann das Redeverbot per Video umgangen und damit den Abbruch des Kongresses veranlasst.
Im Kontext der propalästinensischen Proteste an der Pariser Hochschule Sciences Po und anderen Universitäten wirft das Einreiseverbot Fragen auf. Der kommunistische Senator Ian Brossat bezeichnete das Einreiseverbot ohne Zögern als „Schande“. Im Verlauf des späteren Nachmittags wurde bei der Konferenz im Senat eine aufgezeichnete Videobotschaft des unerwünschten Arztes ausgestrahlt.
Unklar ist, welche deutsche Behörde das Betätigungsverbot gegen Ghassan Abu Sitta verfügt hat – und warum. Kritiker werfen ihm vor, der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) nahezustehen, weil er vor vier Jahren auf der Beerdigung eines verstorbenen Gründers der Organisation eine Trauerrede hielt. Die PFLP steht seit 2023 auf der EU-Terrorliste.
Aber ist das der Grund für das Betätigungsverbot? Auf Anfrage der taz verwies das Bundesinnenministerium am Sonntag auf die Bundespolizei und die Berliner Senatsverwaltung für Inneres. Ghassan Abu Sittas Anwälte wollen sich damit nicht zufriedengeben: Sie bereiten rechtliche Schritte vor, wie sie der taz sagten.
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