Europa nach dem Putin-Trump-Treffen: Reisegruppe nach Washington
Ukraines Präsident Selenskyj wird Montag in Washington nicht allein mit Trump reden. Merz, Macron, Starmer und weitere Regierungschefs reisen mit ihm.

Die Reise diene „dem Informationsaustausch“ mit dem US-Präsidenten nach dessen Treffen mit Kreml-Chef Putin in Alaska, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Sonntag. Merz werde mit den Staats- und Regierungschefs „den Stand der Friedensbemühungen diskutieren und das deutsche Interesse an einem schnellen Friedensschluss in der Ukraine unterstreichen“. Themen seien unter anderem Sicherheitsgarantien, territoriale Fragen und die fortdauernde Unterstützung der Ukraine in der Abwehr der russischen Aggression. „Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung des Sanktionsdrucks“, so Kornelius.
Zuvor hatte der Kanzler sich sichtlich Mühe gegeben, das Treffen zwischen Trump und Putin möglichst optimistisch zu kommentieren. Im Brennpunkt-Interview in der ARD am Samstagabend betonte er immer wieder die „guten Nachrichten“: Dass die USA weiter „an Bord“ seien etwa, dass es keine Entscheidung über den Kopf der Ukraine hinweg und keine territorialen Zugeständnisse gegenüber Putin gegeben habe, und dass „keiner der Punkte, die wir intensiv besprochen haben, abgeräumt worden“ sei. Merz klang damit so ganz anders als die restlichen Beiträge der Nachrichtensendung.
Nach dem Gipfel herrsche „Ernüchterung“, hieß es direkt in der Anmoderation, es sei wenig passiert „außer einer großen Inszenierung“, bei der der Kreml-Chef mit allen Ehren empfangen worden sei. Putin sei „international aufgewertet worden“, sagte Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau. Es sei „nicht einmal das Mindestmaß dessen durchgesetzt worden, was zu erwarten gewesen wäre“ und was die Ukraine seit drei Jahren fordere: ein Waffenstillstand. Stattdessen habe Trump sich „auf die russische Seite rüberziehen lassen“, so von Fritsch. Merz hingegen sprach von „Licht und Schatten“.
Trump war nach seinem Treffen mit Putin von Forderungen nach einer Waffenruhe in der Ukraine abgerückt und hatte stattdessen ein umfassendes „Friedensabkommen“ gefordert. Unklar ist zudem, inwieweit Trump bei der Frage von ukrainischen Gebietsabtretungen auf Putins Linie eingeschwenkt sein könnte. Ein mit dem Inhalt der Gespräche der beiden Präsidenten vertrauter Insider sagte am Samstag der Nachrichtenagentur AFP, Putin verlange, „dass die Ukraine den Donbass verlässt“ – und Trump sei „geneigt“, diese Forderung zu unterstützen.
Merz wertet das Trump-Putin-Treffen positiv
Bundeskanzler Merz hingegen unterstrich in der ARD, Trump habe „eben keine Zugeständnisse hinsichtlich Territoriums“ gemacht. „Das war ein ganz kritischer Punkt.“ Stattdessen hätten die USA Bereitschaft signalisiert, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben. Darüber habe Trump die europäischen Partner im Nachgang des Treffens telefonisch informiert. „Das ist die positive Überraschung“, so Merz. Und: Trump bewege sich „innerhalb der Linie, die wir abgesprochen haben“.
Dass Merz sich mit Kritik an Trump zurückhält, dürfte strategische Gründe haben: Es geht um Europas und auch seine eigene Rolle am Verhandlungstisch. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten mit der sogenannten „Koalition der Willigen“ in den Tagen vor dem Treffen in Alaska mit zahlreichen Videoschalten und Absprachen versucht, im Sinne der Ukraine auf den US-Präsidenten einzuwirken. Merz selbst hatte eingeladen, neben ihm vor dem Rechner saß bei diesen Vorgesprächen der eigens angereiste Selenskyij.
„Die Ukraine kann auf unsere unerschütterliche Solidarität zählen“, hieß es nach dem Treffen in Alaska in einer Pressemitteilung von von der Leyen, Merz, Macron, Starmer, Stubb, Meloni, dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und dem Präsidenten des Europäischen Rats, António Costa. Man sei „entschlossen, mehr zu tun, um die Ukraine weiter zu stärken, um ein Ende der Kämpfe und einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen.“
Die Rede ist etwa davon, „Sanktionen und weitere wirtschaftliche Maßnahmen“ weiter zu verschärfen. Auch erklärten sich die Politiker*innen bereit, bei den Vorbereitungen für ein Dreiertreffen zwischen den Trump, Putin und Selenksyj zu unterstützen. Am Sonntagnachmittag traf sich die „Koalition der Willigen“ zu weiteren Beratungen.
Und nun reist der Kanzler eben mit nach Washington, wo ein solches Dreier-Gespräch zwischen Trump, Putin und Selenskyj dann womöglich in Kürze stattfinden könnte. In Alaska wurde Putin der rote Teppich ausgerollt. „Ein bisschen weniger wäre auch genug gewesen“, so Merz – nun hoffe er, Selenskyij werde in Washington „protokollarisch auch sehr hochwertig“ empfangen.
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