Europa macht halb ernst beim Klima: Eine verwässerte Grenze
Die EU-Umweltminister beschließen Klimaziele bis 2030. Diese sind voller Schlupflöcher. Beim Emissionshandel fehlt noch ein Kompromiss.
Knapp einen Monat vor der UN-Konferenz in Bonn haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf neue Klimaziele geeinigt. In Luxemburg bestätigten die Umweltminister am Freitag, dass die Emissionen aus den Bereichen Verkehr, Haushalt und Landwirtschaft bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 sinken sollen – gleichzeitig beschlossen die Länder aber Ausnahmen, die das Ziel nach der Ansicht von Umweltverbänden auf nur noch 23 Prozent verwässern.
Mit diesem Beschluss starten die EU-Staaten gleichzeitig die Verhandlungen mit dem EU-Parlament und der Kommission zu einem Kompromiss im sogenannten „Trilog“. Dort soll bis Ende des Jahres eine Entscheidung fallen. Ob das schwache Ergebnis dort verbessert werden kann, ist fraglich: Denn am Vorabend der Entscheidung von Luxemburg scheiterten vorerst auch die entscheidenden Verhandlungen zum anderen umstrittenen Thema in der Klimapolitik: Der Ausgestaltung des Emissionshandels für 2021-2030.
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen sind hier zwar die meisten Streitpunkte ausgeräumt. Es bleibt aber die umstrittene Frage, welche Kohlekraftwerke weiterhin aus EU-Töpfen unterstützt werden sollen. Hier gab es keinen Kompromiss zwischen der Haltung Polens und der strikten Anforderung des Parlaments, keine Kohlekraft mehr zu subventionieren.
Die Klimapolitik der EU ruht auf zwei Säulen: Der Emissionshandel, mit dem Unternehmen und Kraftwerke Zertifikate für ihren CO2-Ausstoß erwerben müssen. Er deckt etwa 40 Prozent der Emissionen in der EU ab. Der Rest, also die Treibhausgase aus dem Verkehr, von Haushalten oder aus der Landwirtschaft, muss von den EU-Staaten geregelt werden. Bis 2030 hat sich die EU das Ziel gesetzt, ihre CO2-Emissionen insgesamt um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Das heißt: Der Emissionshandel soll 43 Prozent (im Vergleich zu 2005) erbringen, die übrigen Sektoren 30 Prozent.
Die Reichen reduzieren mehr, die Armen weniger
Wie diese Reduzierung sich unter den EU-Staaten verteilt, haben die Umweltminister nun festgelegt. Das Stichwort heißt „Aufgabenteilung“, im EU-Sprech „effort sharing“. Dabei tragen die reichen Staaten mehr zur Reduzierung bei als die armen. Schweden und Luxemburg sind so verpflichtet, minus 40 Prozent zu schaffen, Deutschland minus 38. Bulgarien dagegen muss nichts reduzieren, Rumänien nur 2 Prozent.
In diese Vorschriften haben EU-Länder und die Kommission mehrere Schlupflöcher gebohrt. So dürfen manche Länder einige Zertifikate aus dem Emissionshandel einsetzen, ihre Wälder als Klimaschutz-Maßnahmen anrechnen oder eine „Sicherheitsreserve“ beanspruchen. Außerdem können die Länder den Beginn ihrer Verpflichtungen auf für sie besonders günstige Jahre legen. Insgesamt machen diese Ausnahmen etwa 500 Millionen Tonnen CO2 aus, die über die Jahre 2021-2030 mehr in die Atmosphäre gelangen können als es das Klimaziel vorsieht.
Für die Umweltverbände sind die Beschlüsse daher eine „Milchmädchenrechnung“, so der WWF. Mehr erwartet hatte dessen Expertin Juliette de Grandpré vor allem vom neuen französischen Umweltminister Nicolas Hulot, der bei seinem ersten Auftritt im Rat „gleich die Erwartungen enttäuscht hat“. Florian Schöne, Präsident des Deutschen Naturschutzrings DNR sagte: „Ehrlicher Klimaschutz sieht anders aus. In Sonntagsreden unterstützen die EU-Staaten das Pariser Klimaabkommen. Beim klimaneutralen Umbau der Wirtschaft fehlt jedoch bisher der politische Wille.“
Für den deutschen Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, der an den Verhandlungen teilnahm, ist die Bilanz deutlich besser. „Mit Ausnahme unseres Vorschlags zu den Jahreszahlen haben wir ein weitreichendes Aufweichen der Positionen verhindert“, sagte er zur taz. „Ich bin zuversichtlich, dass wir darauf aufbauend ein besseres Ergebnis mit dem Parlament erreichen werden.“
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