Euronews übt Kritik an Chefredakteur: Was Strunz sich erlaubt
Euronews protestiert in einem offenen Brief gegen Chefredakteur Claus Strunz. Der Ex-Springer-Mann soll mehrfach parteiisch gehandelt haben.
Dumm gelaufen. Gerade mal seit drei Wochen ist Claus Strunz Chefredakteur des paneuropäischen Nachrichtensenders Euronews, schon hat der Ex-Bild-Chefredakteur die Belegschaft gegen sich aufgebracht.
In einem offenen Brief vom 8. November üben Mitarbeiter_innen scharfe Kritik an Strunz’ redaktionellen Entscheidungen und seiner fragwürdigen Präsenz auf der Kurznachrichtenplattform X. Neben seiner Rolle als Chefredakteur ist Strunz auch Interimsgeschäftsführer von Euronews.
Besonders beunruhigend sei, so schreiben die Gewerkschaftsvertreter aus Lyon im Brief, dass Strunz verlangt habe, seine parteiischen Tweets zu den US-Wahlen und zum Zusammenbruch der Ampel über den offiziellen Euronews-Account zu verbreiten. Außerdem habe Strunz darauf bestanden, dass die Redaktion die US-Wahlen anhand der Zahlen des rechten, Pro-Trump-Nachrichtensenders Fox News verfolge.
Normalerweise stützt sich die Redaktion dabei auf die Daten der Nachrichtenagenturr Associated Press (AP). Fox News (und damit auch Euronews, wie im Brief beklagt wird) hatten Trump schon Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe – und dem Erreichen der nötigen 270 Wahlleute des Electoral Colleges – zum Wahlsieger erklärt. Strunz hat sich gegenüber der taz bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen der Belegschaft geäußert.
Was auf dem Spiel steht
Empfohlener externer Inhalt
Auch zu einem weiteren Punkt gibt es keine Stellungnahme: Die Belegschaft kritisiert, dass Strunz ein Video gedreht und durch Euronews veröffentlicht hat, in dem er die Ampel „die schlechteste Regierung der Bundesrepublik Deutschland“ nennt. Damit habe er seine Meinung und keine nachrichtlichen Inhalte verbreitet, wird im Brief beklagt.
Er verstoße „gegen die Grundsätze der Neutralität und Unparteilichkeit“. Das Video ist als Interview und nicht als Meinungsbeitrag gekennzeichnet. Meinungsbeiträge anderer Autor_innen wurden in der Vergangenheit mit dem Hinweis versehen, dass sie nicht die redaktionelle Position von Euronews widerspiegeln.
Die beiden Redaktionen in Lyon und Brüssel sind sich einig, dass Strunz damit nicht nur die journalistische Glaubwürdigkeit der Redaktion aufs Spiel setzt, sondern auch ihre Finanzierung. Die erfolgt zum Teil durch Subventionen der Europäischen Kommission.
Der Nachrichtensender wurde 1993 mit der Intention, „die europäische Identität zu stärken“, von zahlreichen europäischen öffentlich-rechtlichen Sendern gegründet. ARD und ZDF waren nicht dabei, unter anderem weil sie mit 3sat und Arte bereits internationale Angebote hatten.
Verbindungen zu Viktor Orbán
Heute gehört Euronews zu 97,6 Prozent der portugiesischen Investmentfirma Alpac Capital. Dessen CEO Pedro Vargas David soll persönliche und finanzielle Verbindungen zu engen Vertrauten von Viktor Orbán pflegen, wie eine gemeinsame Investigativrecherche der französischen Le Monde, der ungarischen Direkt36 und des portugiesischen Expresso vom April 2024 ergab.
Wenige Monate später gab es Folgen: Euronews hatte jährlich zwischen 20 und 23 Millionen Euro von der Europäischen Kommission erhalten. Diese Unterstützung wurde dann im Juli 2024 auf 11 Millionen Euro pro Jahr reduziert. Weitere Kürzungen kann sich Euronews kaum leisten. Wohl auch deswegen distanzieren sich die Mitarbeitenden jetzt vom parteiischen Chefredakteur.
Bevor Claus Strunz zu Euronews wechselte, war er über viele Jahre für Springer tätig. 1998 startete er bei der Welt, wurde 2000 dann Chefredakteur der Bild am Sonntag, bis er 2011 Geschäftsführer für TV und Video bei Springer wurde.
Nachdem Julian Reichelt rausgeworfen wurde, übernahm Strunz 2021 gemeinsam mit Johannes Boie und Alexandra Würzbach die dreiköpfige Bild-Chefredaktion. Im Frühjahr 2024 wurde das Trio entlassen, durch Marion Horn und Robert Schneider ersetzt. Boie ist mittlerweile freier Autor für die rechtskonservative Neue Zürcher Zeitung, Würzbach füllt die Rolle der Chefredakteurin des selbsternannten Luxusmagazins Icon der Welt am Sonntag aus. Und Strunz: Wechselte als Chefredakteur und Interims-CEO im Oktober zu Euronews.
Und jetzt?
Drei Wochen dauerte es bis zum offenen Brief. Euronews verlangt jetzt, dass Strunz seine parteiischen Aussagen im Namen der Redaktion unterlässt und dass der Verwaltungsrat die Lage untersucht. Auch soll sich Strunz in einem „Townhall style Meeting“ – einer Vollversammlung, in der Führungsebene und Mitarbeitende direkt miteinander sprechen können – der Belegschaft und ihren Bedenken stellen.
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